Rz. 40
Eine allein an der logischen Ursächlichkeit i.S.d. Bedingungstheorie orientierte Verantwortlichkeit der pflichtwidrig handelnden Person würde zu einer uferlosen Haftung führen. Schon früh hat deshalb die Rechtsprechung eine Eingrenzung mit der Adäquanzformel (vgl. Rdn 43 ff.) vorgenommen. Diese soll diejenigen Bedingungen innerhalb einer Ursachenkette als nicht haftungsrelevant ausscheiden, die bei wertender Betrachtungsweise unerheblich erscheinen.
Rz. 41
Die erforderliche Eingrenzung lässt sich jedoch nicht allein auf diesem Wege erreichen. Nicht jedes für den geltend gemachten Nachteil wesentliche Verhalten des Anwalts macht ihn ersatzpflichtig; erforderlich ist weiter, dass der eingetretene Schaden vom Schutzzweck der verletzten Pflicht (vgl. Rdn 67 ff.) gedeckt ist.
Rz. 42
Schließlich spielen noch Probleme der hypothetischen Kausalität (vgl. Rdn 74 ff.) und des rechtmäßigen Alternativverhaltens (vgl. Rdn 81 ff.) eine Rolle.
I. Adäquanz
1. Grundlagen
Rz. 43
Ist der Schadensfall das Ergebnis einer Reihe ineinandergreifender Ursachen, wird häufig darüber gestritten, ob das dem Anwalt zur Last fallende Verhalten in Anbetracht der übrigen kausal gewordenen Umstände noch rechtserhebliche Bedeutung hat. Nach ständiger Rechtsprechung wird im Schadensersatzrecht allgemein jede Handlung oder Unterlassung als adäquat ursächlich angesehen, welche die objektive Möglichkeit eines Nachteils der eingetretenen Art generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat.
Rz. 44
Die Prüfung erstreckt sich auf alle zur Zeit des Eintritts der Begebenheit dem optimalen Beobachter erkennbaren Umstände und bezieht auch das erst im Zeitpunkt der Beurteilung zur Verfügung stehende Erfahrungswissen ein. Gefordert ist eine wertungsgeprägte Entscheidung, bis zu welcher Grenze dem Urheber einer Bedingung deren Folgen billigerweise zugerechnet werden können. Ist dessen Verhalten im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet, den eingetretenen Schaden herbeizuführen, wird die Adäquanz und damit ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten und dem eingetretenen Schaden bejaht.
Rz. 45
Im Anwaltshaftungsrecht tritt diese Problematik regelmäßig in der Weise auf, dass der Mandant selbst oder Dritte willentlich in das Geschehen eingegriffen und damit das Ergebnis beeinflusst haben. Gleichwohl wird die Vertragsverletzung dem Anwalt in aller Regel haftungsrechtlich zugerechnet. Dessen Pflichtwidrigkeit bleibt nur dann als nicht schadensadäquat unberücksichtigt, wenn sie in keinem inneren Zusammenhang zum eingetretenen Schaden steht, vielmehr nur den äußeren Anlass für ein völlig ungewöhnliches Eingreifen eines Dritten bildet.
2. Handlungen des Mandanten
Rz. 46
Ein eigener selbstständiger Willensakt des Geschädigten schließt es nicht aus, demjenigen die Schadensfolge zuzurechnen, der die Kausalkette in Gang gesetzt hat. Wurde die Handlung des Mandanten durch das haftungsbegründende Ereignis geradezu herausgefordert oder bestand für sie ein rechtfertigender Anlass, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Anwalts bestehen. Der Begriff des rechtfertigenden Anlasses ist in einem weiten Sinne zu verstehen. Es genügt, dass es sich um eine Entschließung handelt, die nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen zu bewerten ist.
Rz. 47
Die Beendigung einer rechtlichen Auseinandersetzung durch Vergleich oder durch eine Verständigung im Betriebsprüfungsverfahren ist i.d.R. als vernünftige Reaktion in diesem Sinne anzusehen. Hat der Mandant die Entscheidung, Wertpapiere zu verkaufen, ersichtlich von den steuerlichen Wirkungen des Verkaufs abhängig gemacht und unterlässt er aufgrund einer fehlerhaften Rechtsauskunft des Beraters die Veräußerung, so sind diesem die anschließend eingetretenen Verluste haftungsrechtlich zuzurechnen, solange der Mandant die wahre Rechtslage nicht kennt. Versucht eine Partei, den ihr infolge des Anwaltsfehlers drohenden oder bereits eingetretenen Schaden mittels einer Klage gegen einen Dritten abzuwenden, bleibt diese Klage jedoch erfolglos, so sind auch diese Folgen dem Fehler des Beraters zuzurechnen, sofern bei vernünftiger Beurteilung eine realistische Chance bestand, den Rechtsstreit zu gewinnen. Bei fehlender Erfolgsaussicht haftet der Berater, der, obwohl er auf die Entschließung des Mandanten hätte Einfluss nehmen können, nicht davon abgeraten hat, den Prozess zu führen. Ist der Schaden dadurch entstanden, dass der Mandant von der gemeinsamen Veranlagung nach § 26b EStG Abstand genommen ha...