1. Grundsätze
Rz. 89
Das nach der Differenzmethode gewonnene Ergebnis bedarf einer normativen Kontrolle, die am Schutzzweck der Haftung sowie an Funktion und Ziel des Schadensersatzes ausgerichtet ist. Dies führt einerseits zur Erweiterung des Anspruchsumfangs. So hat die Rechtsprechung in einer unrichtigen Buchung auf dem Konto des Bankkunden einen Schaden gesehen, obwohl dessen Vermögen sich nach der Differenzrechnung nicht verändert hatte, weil die unberechtigte Buchposition ihn in seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigte. Auch der Verlust einer hinreichend konkreten tatsächlichen Erwerbsaussicht kann einen ersatzfähigen Schaden darstellen. Eine solche Position gehört bereits zum rechtlich geschützten Vermögensbereich, sofern sie in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erworben wurde. Dies gilt erst recht für den Verlust von Rentenanwartschaften, obwohl noch offen ist, ob die Voraussetzungen für die Auszahlung einer Rente jemals erfüllt sein werden. Auf der anderen Seite werden kausale Nachteile ausgeklammert, deren Erstattung mit übergeordneten Prinzipien des Rechts nicht vereinbar wäre.
2. Nutzungen
Rz. 90
Wesen und Bedeutung des Vermögens erschöpfen sich nicht in dessen Bestand, sondern umfassen auch die Möglichkeit, dieses seiner Bestimmung gemäß zu nutzen sowie darüber zu verfügen. Schon in der Beeinträchtigung dieser Befugnisse kann ein vermögensrechtlicher Nachteil liegen. Der BGH hat daher einen ersatzfähigen Vermögensschaden bejaht, wenn dem Inhaber eines DSL-Anschlusses die Möglichkeit genommen wurde, seinen Zugang zum Internet zu nutzen, unabhängig davon, ob ihm hierdurch Mehraufwendungen entstanden oder Einnahmen entgangen sind. Schon in der unbefugten Weiterleitung der treuhänderisch übertragenen Darlehenssumme an den Kreditnehmer liegt ein Schaden. Voraussetzung ist jedoch immer, dass der Vermögenswert in seiner Verwendungsfähigkeit mindestens wesentlich eingeschränkt war. Daher begründet allein die Tatsache, dass der Eigentümer die Sache aus dringenden wirtschaftlichen Gründen nicht mehr selbst nutzen kann, keinen Ersatzanspruch, soweit sie einem sinnvollen Gebrauch, z.B. durch Vermietung, zugeführt werden kann. Der bloße Wegfall der Arbeitskraft ist ebenfalls kein Schaden, solange sich die Beeinträchtigung der Erwerbsmöglichkeit nicht in erlittenen Verlusten oder entgangenen Gewinnen ausgewirkt hat.
3. Vermögenslosigkeit
Rz. 91
Auch der vermögenslose Schuldner hat ein rechtlich geschütztes Interesse daran, nicht grundlos mit einer zusätzlichen Verbindlichkeit belastet zu werden. Der Mandant kann den Anwalt wegen eines Fehlers, der weitere Schulden verursacht hat, daher selbst dann in Anspruch nehmen, wenn er keine Aussicht hat, jemals aus eigener Kraft seine Gläubiger zu befriedigen. Hat der Mandant dagegen infolge eines Anwaltsversehens eine Forderung verloren, ist der Einwand beachtlich, diese wäre gegen den Dritten nicht durchsetzbar gewesen. Hätte der Mandant aus der verlorenen Forderung nichts erlangt, fehlt es an einem Schaden im Rechtssinne. Wird der Einwand der Wertlosigkeit des entgangenen Rechts erhoben, muss der Mandant nach § 287 ZPO beweisen, dass er bei sachgerechtem Vorgehen des Anwalts Leistungen erhalten hätte. Trifft dies nicht zu, ist die verlorene Forderung wertlos. Dem steht der Fall gleich, dass der Mandant den Titel von vornherein nicht durchsetzen wollte, sondern für andere Zwecke erstrebte; dann begründet allein der Verlust der klageweise erfolglos geltend gemachten Forderung noch keinen ersatzfähigen Nachteil.
4. Zeit- und Arbeitsaufwand
Rz. 92
Hat der Mandant infolge eines Anwaltsfehlers einen Prozess verloren, so kann sich die Frage stellen, ob er außer der Erstattung der ...