Rz. 201

Infolge der Ersetzung der BRAGO durch das RVG ist die Vorschrift des § 118 Abs. 2 BRAGO, wonach die für die außergerichtliche Tätigkeit angefallene Geschäftsgebühr auf die in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren entstehende Prozessgebühr anzurechnen war, durch VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 ersetzt worden. Danach wird, soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 VV entstanden ist, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Sind mehrere Gebühren entstanden, ist für die Anrechnung die zuletzt entstandene Gebühr maßgebend. Die Anrechnung erfolgt nach dem Wert des Gegenstandes, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist. Durch diese Regelung soll auch die Tätigkeit eines Anwaltes, der zunächst außergerichtlich tätig war, auch entsprechend vergütet werden. Da nur eine teilweise Anrechnung der außergerichtlich entstandenen Gebühren nach VV 2300 bis 2303 erfolgt, bleibt die Partei bei dem Rechtsstreit vorhergehender außergerichtlicher Tätigkeit des Anwaltes immer mit einem Gebührenanteil belastet. Dieser Gebührenanteil ist auch bei späterem Obsiegen der Partei nicht im Rahmen der Kostenfestsetzung festsetzbar, sondern muss, wenn eine vollständige Erstattung aller entstandenen Gebühren vom Gegner erzielt werden soll, als materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden. Anspruchsgrundlagen können hierbei sein Schadensersatzansprüche wegen Verzuges oder der Verletzung von Schutzpflichten[234] oder – bei Verletzung absoluter Rechte – § 826 Abs. 1 BGB[235] sowie – insbesondere in Wettbewerbssachen –Geschäftsführung ohne Auftrag.

 

Rz. 202

Nach der Rechtsprechung des 8. Zivilsenates des BGH sollte abweichend von der bis dahin feststehenden Rechtsprechung[236] in Fällen, in denen ein nach Vorbemerkung 3 (4) zu VV 3100 wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr aus die im gerichtlichen Verfahren entstehende Geschäftgebühr anzurechnen war, die im anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr nur in verminderter Höhe entstehen.[237] Der Gesetzeswortlaut in den Vorbemerkungen 3 (4) lasse nur die Minderung der Verfahrensgebühr und nicht der Geschäftsgebühr zu, nur soweit keine Anrechnung erfolge gehörte der verbleibende Teil der Verfahrensgebühren zu den Prozesskosten. Allein aus Gründen der Prozessökonomie könne nichts anderes gelten.

 

Rz. 203

Wegen der hiergegen vielfältig erhobenen Kritik hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich mit dem Erlass des § 15a RVG, der am 5.8.2009 in Kraft getreten ist, reagiert. § 15a Abs. 1 RVG, regelt, dass sich die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur im Innenverhältnis (Mandant – Rechtsanwalt) nicht aber auf Dritte wie z.B. – Verfahrensgegner – auswirkt. Das heißt, beide Gebühren entstehen erst einmal unabhängig von einander in voller Höhe, insgesamt kann der Anwalt jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der Gebühren geltend machen. In der Kostenfestsetzung muss eine entstandene Verfahrensgebühr danach grundsätzlich in voller Höhe festgesetzt werden und zwar auch für die § 15a Abs. 2 RVG Fälle, dass eine Geschäftsgebühr entstanden ist, die auf sie angerechnet werden muss, es sei denn, es würde zu einer Doppeltitulierung i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG kommen. § 15a Abs. 2 RVG betrifft das Außenverhältnis und regelt, dass sich ein Dritter nur dann wirksam auf eine Anrechnung berufen kann, wenn er die anzurechnende Gebühr bereits gezahlt oder zumindest gegen ihn tituliert wurde und beide Gebühren im selben Verfahren geltend gemacht werden.[238]

 

Rz. 204

Damit ist dem Rechtsanwalt ein Wahlrecht eingeräumt worden, welche Gebühren er fordert. Soweit es die Geltendmachung außergerichtlicher Anwaltsgebühren anbelangt, empfiehlt es sich nunmehr im Grundsatz, eine verminderte Geschäftsgebühr und dafür eine volle Verfahrensgebühr geltend zu machen. Sollte die volle Geschäftsgebühr eingeklagt werden sowie die volle Verfahrensgebühr und der Beklagte beruft sich auf § 15a RVG, würde dies wiederum dazu führen, dass nur die verminderte Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt wird.

 

Rz. 205

Zwischenzeitlich ist durch Beschluss des BGH[239] vom 2.9.2009 bestätigt worden, dass § 15a RVG nur eine Klarstellung der bereits unter Geltung des § 118 BRAGO und nachfolgend Vorbemerkungen 3(4) bestehenden Gesetzeslage darstellt, sodass § 15a RVG ab seinem Inkrafttreten auf alle noch nicht abgeschlossenen Verfahren anzuwenden ist.

 

Rz. 206

 

Hinweis

In den Fällen, in denen die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren als Nebenforderung im Rahmen des Prozesses geltend gemacht werden, tritt gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG keine Streitwerterhöhung ein, so dass hierdurch im Rechtsstreit keine zusätzlichen Kosten entstehen.[240]

 

Rz. 207

Ein entsprechender Antrag lautet dann: "Der Beklagte wird verurteilt, (...) EUR[241] zzgl. außergeric...

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