Dr. iur. Christa Bienwald, Dr. Claus-Henrik Horn
I. Überblick zum alten Recht
Rz. 17
Nach bis zum 31.12.2022 geltenden Recht war der Kontrollbetreuer nicht "automatisch" auch zum Vollmachtswiderruf ermächtigt. Die Ermächtigung zum Vollmachtswiderruf stellt einen besonderen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht dar, der nur gerechtfertigt ist, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Ein Betreuer konnte eine Vollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese Befugnis als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen war. Da es sich bei einem Widerruf um eine einseitige Erklärung handelt, kann ein Widerruf nicht durch eine andere Person als den Vollmachtgeber rückgängig gemacht werden. Bei Geschäftsfähigkeit könnte er schließlich erneut eine Vollmacht errichten. Daher ist der Grundrechtseingriff durch eine entsprechende Betreuung "besonders weitreichend". Zur Übertragung des Aufgabenkreises "Vollmachtswiderruf" waren daher tragfähige Feststellungen erforderlich, dass das Festhalten an der erteilten Vollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Bei behebbaren Mängeln bei der Vollmachtsausübung erforderte der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken. So hatte dieser zunächst Auskunft und Rechnungslegung zu verlangen und bestehende Weisungsrechte auszuüben. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtswiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dürfen keine milderen Mittel zur Abwehr eines Schadens zur Verfügung stehen. Es muss ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegen.
II. Überblick zum neuen Recht
Rz. 18
Den Bereich des Vollmachtsmissbrauchs hat der Gesetzgeber vollkommen "umgebaut". War es nach altem Recht noch erforderlich, dass die Kompetenz zum Widerruf ausdrücklich von dem Betreuungsgericht mit einem entsprechend formulierten Aufgabenkreis angeordnet werden musste, ist vom neuen Recht stets auch die Befugnis zum Widerruf im Rahmen des angeordneten Aufgabenbereiches umfasst. Insoweit kann ein Betreuer, dem der Aufgabenbereich "Bankgeschäfte" zugewiesen wurde, eine Generalvollmacht nur hinsichtlich der Bankgeschäfte widerrufen. Eine besondere gesetzliche Regelung war auch deswegen erforderlich, weil ein erklärter Widerruf nicht rückgängig zu machen ist. In vielen Fällen wird der Bevollmächtigte mittlerweile geschäftsunfähig sein, so dass er einer von ihm gewünschten Person nicht erneut rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilen kann.
Rz. 19
§ 1820 Abs. 4 BGB sieht nun die Befugnis des Betreuungsgerichtes vor, anzuordnen, dass der Bevollmächtigte die ihm erteilte Vollmacht nicht ausüben darf und unter bestimmten Voraussetzungen die Vollmachtsurkunde an den Betreuer herauszugeben hat. Nachdem nach neuem Recht als Aufgabenbereich nicht explizit der Vollmachtswiderruf anzuordnen ist, sondern von dem jeweiligen Aufgabenbereich umfasst ist, stellt § 1820 Abs. 5 BGB den Vollmachtswiderruf unter einen Genehmigungsvorbehalt. Vor Erklärung des Widerrufs hat das Betreuungsgericht den Widerruf zu genehmigen. Durch dieses neue System sollen sich die Gerichte nicht zweimal mit der Frage des Widerrufs beschäftigen müssen, und zwar eben nicht durch Anordnung eines auf den Widerruf explizit gerichteten Aufgabenbereiches, sondern nur im Rahmen der nunmehr erforderlichen Genehmigung.
III. Suspendierung einer Vollmacht
Rz. 20
Vollkommen neu ist § 1820 Abs. 4 BGB, der bei einem bestehenden, aber noch nicht bestätigten Missbrauchsverdacht vorübergehend und kurzfristig eine wirksame Vollmacht suspendieren kann, ohne sie sogleich widerrufen zu müssen. Ein Widerruf führt schließlich zur endgültigen Unwirksamkeit, da ein Widerruf nicht rückgängig gemacht werden kann. Es kommt nur die Neuerteilung einer Vollmacht in Betracht. Hierzu ...