Dr. iur. Christa Bienwald, Dr. Claus-Henrik Horn
Rz. 22
Bei dem Widerruf handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung i.S.v. § 183 S. 1 BGB. § 1820 Abs. 5 BGB enthält für einen solchen Widerruf eine Spezialvorschrift nur für Vorsorgevollmachten, die "den Bevollmächtigten zu Maßnahmen der Personensorge oder zu Maßnahmen in wesentlichen Bereichen der Vermögenssorge ermächtigt". Sie stellt den Widerruf einer Vorsorgevollmacht unter einen Genehmigungsvorbehalt. Der Genehmigungsvorbehalt gilt aber nicht für den Widerruf durch einen von mehreren Bevollmächtigten. Sie gilt nur dann, wenn der Widerruf durch einen Betreuer erfolgen soll.
Rz. 23
Nach der Gesetzesbegründung gelten diese "strengen Voraussetzungen" nur bei Vorsorgevollmachten, nicht aber bei "etwa Post- oder Kontovollmachten". Ist einem Betreuer etwa der Aufgabenbereich Bankgeschäfte angeordnet worden, bedeutet das, dass dieser ohne weitere gerichtliche Kontrolle endgültig eine Bankvollmacht widerrufen kann. Die Gesetzesbegründung weist unter Bezugnahme auf den BGH darauf hin, dass der Widerruf nur ultima ratio sein soll. Sind behebbare Mängel bei der Ausübung der Vollmacht festzustellen, erfordere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den Versuch, durch den (Kontroll-)Betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung nach § 666 BGB sowie durch die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheinen, sei der Widerruf der Vollmacht verhältnismäßig.
Rz. 24
§ 1820 Abs. 5 S. 1 BGB normiert auch die Voraussetzung, in welchen Fällen eine Vorsorgevollmacht widerrufen werden darf, also genehmigungstauglich ist. So muss "das Festhalten an der Vollmacht eine künftige Verletzung der Person oder des Vermögens des Betreuten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten [lassen] und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betreuten geeignet erscheinen". Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass sowohl ein Teilwiderruf als auch der Widerruf nur von einem von mehreren Bevollmächtigten möglich ist. Bedeutsam ist die Perspektive, aus der die Prüfung erfolgen soll: Es ist insbesondere zu fragen, ob der Widerruf der Vollmacht dem mutmaßlichen Willen des Betreuten entspricht oder ob dieser die Gefährdung bzw. den Schaden in Kauf genommen und an dem Bevollmächtigten festgehalten hätte.
Rz. 25
Verfahrensrecht: Liegen nach den Recherchen des Kontrollbetreuers, wozu er auch Informationsansprüche gegenüber dem Bevollmächtigten bzw. gegenüber dritten Personen (vgl. § 1815 Abs. 3 BGB) geltend gemacht haben kann, die Voraussetzungen für einen erforderlichen Vollmachtswiderruf vor, so hat dieser das Betreuungsgericht darüber zu unterrichten und anzuregen, dass ihm der beabsichtigte Widerruf der Vorsorgevollmacht genehmigt wird. Das Gericht hat dann von Amts wegen zu ermitteln. Ein Genehmigungsverfahren sei nur dann geboten, wenn der Betreuer seine Absicht erklärt habe, eine Vorsorgevollmacht (teilweise) widerrufen zu wollen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist das Gericht verpflichtet, vor der Genehmigung des Widerrufs den Betreuten persönlich anzuhören (§ 299 S. 1 FamFG). Nachdem nach altem Recht für die Anordnung des Bereiches des Vollmachtswiderrufs noch der Rechtspfleger zuständig war, ist für das Genehmigungsverfahren funktionell nunmehr der Richter zuständig (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 RPflG).
Rz. 26
Genehmigungen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung oder auch eine unmittelbare Maßnahme nach § 1846 BGB bzw. § 1867 BGB sind rechtlich nicht ausgeschlossen. Sie dürften nach der Gesetzesbegründung aber in der Regel nicht erforderlich sein, da zur Abwehr einer Gefahr in Verzug eine vorübergehende Maßnahme nach § 1820 Abs. 4 BGB vorrangig sein dürfte.
Rz. 27
Das Betreuungsgericht kann mit der Genehmigung des Widerrufs auch zusätzlich die Herausgabe der Vollmachtsurkunde an den Betreuer anordnen (§ 1820 Abs. 5 S. 3 BGB). Das Gericht kann nach der Gesetzesbegründung von der Anordnung absehen, wenn davon auszugehen ist, dass der Bevollmächtigte die Urkunde freiwillig an den Betreuer herausgibt oder der Betreuer selbst den Rückgabeanspruch für den Betreuten gem. § 175 BGB geltend macht. Die Anordnung der Herausgabe hat durch Beschluss zu erfolgen (§ 285 Abs. 2 FamFG).
Rz. 28
Muster 5.1: Anregung auf Genehmigung eines Widerrufs
Muster 5.1: Anregung auf Genehmigung eines Widerrufs
In der Sache
Betreuung des _________________________
Az.: _________________________
beantrage ich, den Widerruf der Vorsorgevollmacht zu genehmigen, die die betreute Person am _________________________ dem _________________________ erteilt hat. Eine Kopie der Vollmacht liegt an.
Das Betreuungsgericht hat mich mit Beschl. v. _________________________ zum Kontrollbetreuer bestimmt. Die sich aus meiner Bestallungsurkunde ergebenden Rechte habe ich gegenüber de...