Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 220
Im Hinblick auf die von der Solidargemeinschaft aufzubringenden Mittel der Grundsicherung für Arbeitsuchende wird es als Obliegenheitsverletzung angesehen, wenn der Hilfesuchende – in zu missbilligender Weise – sich selbst oder seine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in die Lage gebracht hat, Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen zu müssen.
Rz. 221
Parallelnorm zu § 26 SGB XII ist § 31 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB II i.V.m. §§ 31a, 31b SGB II. Danach ist eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen anzunehmen, wenn sie
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nach Vollendung des 18. Lebensjahres |
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ihr Einkommen oder Vermögen |
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in der Absicht vermindert haben |
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die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Alg II herbeizuführen. |
§ 31 Abs. 2 Nr. 2 SGB II ergänzt durch den Tatbestand, dass der Leistungsberechtigte trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sein unwirtschaftliches Verhalten fortsetzt.
Rz. 222
§ 31a SGB II bestimmt die Rechtsfolgen:
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Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II mindert sich das Alg II in einer ersten Stufe um 30 % des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs. |
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Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II mindert sich das Alg II um 60 % des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs. |
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Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II entfällt das Alg II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. |
§ 31a SGB II begrenzt diese Rechtsfolgen z.T. weiter.
Rz. 223
§ 31 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB II bestehen aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand. "Bei einer Pflichtverletzung nach Nummer 1 muss der Hilfesuchende sein Einkommen oder Vermögen vermindert haben. Hierbei kommt nur eine direkte Handlung, keine indirekte Minderung, (…), in Betracht. Der Hilfesuchende muss durch sein Verhalten die Absicht verfolgt haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Hilfe herbeizuführen. Direkter Vorsatz ist insoweit erforderlich."
Unwirtschaftliches Verhalten im Sinne der unter Nummer 2 genannten Pflichtverletzung liegt dann vor, wenn ein hilfebedürftiger Erwerbsfähiger unter Berücksichtigung der ihm durch die Allgemeinheit gewährten Hilfe bei allen oder einzelnen seiner Handlungen jede wirtschaftlich vernünftige Betrachtungsweise vermissen lässt und hierbei ein Verhalten zeigt, das vom Durchschnitt wesentlich abweicht.“
Die Vorschrift soll sowohl für Handlungen vor Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit als auch für solche bei laufendem Leistungsbezug gelten.
a) Umwandeln in Schonvermögen
Rz. 224
Grundsätzlich gibt es keine Regel, die nichtbedürftige Bürger dazu verpflichtet, ihr Vermögen vor dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit in einer Weise aufzuteilen, dass der Bezug von Sozialleistungen möglichst weit hinausgeschoben wird.
Geiger hält den Erwerb von Schonvermögen vor Beginn des Leistungsbezuges auf jeden Fall in den Grenzen des § 138 BGB für zulässig, nicht mehr aber danach. Das LSG Sachsen-Anhalt sieht das – auf jeden Fall für die Zeit nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit – ähnlich und begründet das damit, dass sich der Vermögensschutz des § 12 SGB II nur auf bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits vorhandene Vermögensgegenstände bezieht. "Einzusetzendes Vermögen kann jedoch nicht durch Umschichtung in verwertungsgeschützte Vermögensgegenstände der zumutbaren Verwendung zur Abwendung der Hilfebedürftigkeit entzogen werden."
Für die Umwandlung von (verwertbarem) Vermögen in unverwertbares Vermögen sollen nach Auffassung der Kommentarliteratur zum hier parallel ausgestalteten § 26 SGB XII Sanktionen zur Wiederherstellung des Nachrangs nicht greifen, wenn es hierfür einen nachvollziehbaren Grund gibt.
Rz. 225
Falllösung Fallbeispiel 67 – 2. Variante:
Die Lösung setzt aber für Sanktionen i.S.v. § 31 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB II bereits viel früher an. Der Erwerb einer Immobilie aus vorhandenem Vermögen stellt keine Verminderung des Vermögens dar. Es handelt sich lediglich um eine Umschichtung. Statt des auf Sparkonten oder in bar vorhandenen Vermögens ist es nach Vollendung des Grunderwerbs in Form von Grundvermögen vorhanden. Eine Sanktion nach § 31 Abs. 2, 31a, 31b SGB II scheidet deshalb schon mangels Verminderung des Vermögens aus.