Dr. Gudrun Doering-Striening
a) Ausnahmetatbestand und Vergleich zu § 103 SGB XII
Rz. 229
Verwendet der Leistungsberechtigte die aus Erbfall oder Schenkung stammenden Mittel nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts und wird dadurch die (teilweise) Hilfebedürftigkeit herbeigeführt, kann dies einen Kostenersatzanspruch nach § 34 SGB II auslösen. § 34 SGB II ist als enger Ausnahmetatbestand konzipiert. Er darf nicht, "durch eine weitreichende und nicht nur auf begründete und eng zu fassende Ausnahmefälle begrenzte Ersatzpflicht der Leistungsberechtigten konterkariert werden."
Der Anspruch entsteht unbeschadet etwaiger Gründe für ein Absehen von ihrer Geltendmachung kraft Gesetzes. Die Bedeutung von § 34 SGB II dürfte in der Praxis allerdings sinken, da der Gesetzgeber bei vorzeitigem Verbrauch der Einmaleinnahmen zwar die Leistungspflicht des Jobcenters anerkennt, aber eben nach § 24 Abs. 4 S. 2 SGB II nur noch darlehensweise.
Rz. 230
Dem Kostenersatzanspruch in § 103 SGB XII wegen schuldhaften Verhaltens entspricht ein Kostenersatzanspruch "bei sozialwidrigem Verhalten" in § 34 SGB II, der aber nicht völlig gleichlautend ist.
Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres
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vorsätzlich oder grob fahrlässig |
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die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II |
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an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben |
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ohne wichtigen Grund |
herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Als Herbeiführung gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde.
Eine Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. (sog. unechte Erbenhaftung).
Die Verpflichtung ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt und verjährt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist.
Von der Geltendmachung des Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.
Rz. 231
Mit dem Kostenersatzanspruch ist verbunden:
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Der Anspruch auf Sozialleistungen wird mit einem Gegenanspruch des Sozialleistungsträgers belastet. |
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Das Jobcenter kann dann gemäß § 43 Abs. 1 SGB II gegen Ansprüche von Leistungsberechtigten auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. 30 % des Regelbedarfes des Leistungsberechtigten mit einem Anspruch nach § 34 SGB II aufrechnen. |
Jobcenter sind – obwohl es dazu im Gesetz keine ausdrückliche Regelung gibt – ermächtigt, vor der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten eine isolierte Feststellung zur Sozialwidrigkeit des Verhaltens zu treffen.
Zu den inhaltlichen Anforderungen ergeben sich keine wesentlichen Abweichungen zu § 103 SGB XII.
b) Rechtmäßigkeit der erbrachten Leistung
Rz. 232
Für den Kostenersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten ist Voraussetzung, dass die Leistungen, für die ein Ersatz geltend gemacht wird, rechtmäßig gewährt wurden, d.h. mit dem materiellen Recht in Einklang standen. "Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, der Gesetzessystematik, einer historischen Auslegung sowie nach dem Willen des Gesetzgebers." Hat der Hilfesuchende "bereite" Mittel oder prognostisch im Bewilligungszeitraum verwertbares Vermögen, so scheidet ein Kostenersatzanspruch aus, weil die Leistungsbewilligung dann von Anfang an rechtswidrig wäre.
c) Kausalität
Rz. 233
Der Ersatzanspruch nach § 34 SGB II setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten kausal für die Erbringung von SGB II-Leistungen ist. Dazu muss der Eintritt der Hilfebedürftigkeit als wahrscheinliche Folge des Verhaltens anzusehen sein. Gibt es mehrere Kausalitätsfaktoren, muss das beanstandete Verhalten überwiegen. Hätte trotz des beanstandeten Verhaltens geleistet werden müssen, fehlt es an der Kausalität.
d) Sozialwidrigkeit
aa) Zielgerichtetes "quasi-deliktisches" Handeln notwendig
Rz. 234
Die Kostenersatzregel des § 34 SGB II hat hohe Voraussetzungen, die insbesondere im wertenden bzw. im subjektiven Bereich liegen. Sozialwidrig kann sich nur verhalten, wer sich der Sozialwidrigkeit seines Verhaltens bewusst oder grob fahrlässig nicht bewusst ist. Wertend ist die Norm am Gedanken des schuldhaften, "sozialwidrigen", "quasi-deliktischen Handelns" des Sozialhilfebedürftigen ausgerichtet und der Tatbestand besteht nur dann.
Nach der Rechtsprechung des BSG führt nicht jedes verwerfliche Verhalten, das eine Hilfebedürftigkeit oder Leistungserbringung nach dem SGB II verursacht, zur Erstattungspflicht nach § 34 SGB II. § 34 SGB II fordert hierzu zusätzlich einen inneren Zusammenhang zwischen Gewährung von Sozialleistungen und Tatbestand der mindestens grobfahrlässig herbeigeführten Bedürftigkeit, was nach d...