Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 54
Fallbeispiel 56: Die betriebliche Sterbegeldversicherung
E war lebensgefährlich erkrankt und wollte nun nach 30 Jahren nichtehelichen Zusammenlebens mit seiner Lebensgefährtin F endlich "ordentliche Verhältnisse schaffen". Drei Monate nach Eheschließung verstarb E. F beantragte Hinterbliebenenrente, die versagt wurde. Da sie keine eigenen Mittel zur Verfügung hatte, musste sie Grundsicherung nach SGB II beantragen. Während des Leistungsbezuges erhielt sie vom Arbeitgeber des verstorbenen Ehemannes für zwei Monate Sterbegeld nach dem geltenden Rahmentarifvertrag, dessen § 12 Abs. 2 Nr. 1. regelt: "Stirbt der Beschäftigte, so ist an den Ehepartner oder, falls der Beschäftigte am Todestag nicht verheiratet war, an unterhaltsberechtigte Angehörige ein Sterbegeld zu zahlen. Die Feststellung der Anspruchsberechtigung trifft der Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Betriebsrat." Nr. 2 regelt die Höhe des Sterbegeldes, welches nach Nr. 2.1 bei einer Betriebszugehörigkeit am Tage des Todes von mehr als einem Jahr zwei Brutto-Monatslöhne/Gehälter beträgt. Das Jobcenter will den Leistungsbescheid ändern und die Zuflüsse für jeweils zwei Kalendermonate anrechnen. F hält die Zahlungen für den Zufluss von Vermögen.
Rz. 55
Forderungen können auf eine einmalige Leistung gerichtet sein, aber auch aus einem Stammrecht bestehen, aus dem sich regelhafte Einzelleistungen ergeben. Das kann z.B. ein aus dem Erbfall sich ergebender Rentenanspruch sein. Regelhafte Zuflüsse können sich auch aus einem Nießbrauchvermächtnis oder der Zuwendung einer nicht selbst bewohnten Immobilie oder eines Kapitalvermögens ergeben. Mietwohnungen unterfallen in der Regel nicht dem Schonvermögen des § 12 SGB II, weil sie nicht selbst bewohnt sind, und sind insoweit kein besonderes Problem.
Für Kapitalerträge hat die Rechtsprechung zu § 11 SGB II a.F. entschieden, dass die Berücksichtigung als bedarfsdeckendes Einkommen erfolgt, wenn die Gutschrift nicht nur die Rechtsposition vermittelt, die Auszahlung der Zinsen verlangen zu können. Erst mit der Überweisung auf ein zur Bestreitung des Lebensunterhalts frei verfügbares Konto stehen die Zinsen so zur Verfügung, dass sie als Einkommen berücksichtigt werden können.
Im Übrigen zieht sich die Rechtsprechung auch hier auf die Forderungsrechtsprechung zurück und nimmt bei Erfüllung der Forderung im Antragszeitraum Einkommen an.
Rz. 56
Falllösung Fallbeispiel 56:
F hat keinen Anspruch auf gesetzliche Hinterbliebenenversorgung, weil die zeitlichen Anforderungen für eine Hinterbliebenenrente nicht gegeben sind. Witwen/Witwer haben nach § 46 Abs. 2a SGB VI keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe bis zum Tod des Versicherten nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Vergleichbare Regeln zur sog. Versorgungsehe gibt es im Unfallversicherungsrecht, im Beamtenrecht etc.
Der Anspruch auf Sterbebeihilfe für Hinterbliebene kann sich wie hier aus Tarifverträgen ergeben. Er gehört nicht zum Nachlass, sondern zum Arbeitsverhältnis. Er wird von der Rechtsprechung als Forderung nach Maßgabe der Forderungsrechtsprechung behandelt. Es wird als unerheblich angesehen, dass die Sterbegeldforderung gegen den Arbeitgeber bereits vor Antragstellung erworben wurde. Grundsätzlich sei nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung. Es handelt sich danach um eine laufende Einnahme und nicht um eine einmalige Einnahme, der auch keine Anrechnungsausnahme zu Gute komme.