Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 96
So wie aus Einkommen Vermögen werden kann, stellt sich neben den Fällen der Forderungsrechtsprechung auch in anderen Fällen die Frage, ob aus Vermögen Einkommen werden kann – oder doch nicht? Einzelne Stimmen in der Literatur lehnen dies kategorisch ab. In keinem Fall werde Vermögen zu Einkommen.
Aus der Wissensdatenbank der Arbeitsagentur ergibt sich ein Spezialfall. Gefragt wird, wie das Vermögen nach dem Tod eines Partners zu berücksichtigen ist, welches zu Lebzeiten unberücksichtigt geblieben ist, weil es der Höhe nach – innerhalb der Bedarfsgemeinschaft – unterhalb der gemeinsamen Vermögensfreigrenze lag. Die Antwort:
Zitat
"Partner in einer Bedarfsgemeinschaft stehen mit ihrem Einkommen und Vermögen füreinander ein. Sie werden daher auch bei der Vermögensprüfung weitgehend gemeinsam betrachtet, d.h. ihre Vermögensfreibeträge (Grundfreibetrag, Freibetrag für notwendige Anschaffungen und Freibetrag für die Altersvorsorge) werden addiert und dem gemeinsamen Vermögen gegenübergestellt. Im Falle des Todes eines der beiden Partner ist das Erbe faktisch schon immer innerhalb der Bedarfsgemeinschaft vorhanden gewesen, während der Bedarfszeit fließt also nichts neu zu. Es verändert sich lediglich die Verteilung auf die Partner. Aus diesem Grund wäre es grob unbillig, das Erbe aus dem Vermögen des verstorbenen Partners bei dem Hinterbliebenen als Einkommen zu berücksichtigen. Es ist weiterhin als Vermögen zu betrachten. Die Hilfebedürftigkeit entfällt jedoch, wenn das Vermögen den nunmehr niedrigeren Freibetrag des Hinterbliebenen übersteigt."
Rz. 97
Richtig an dieser Antwort ist, dass der Anfall der Erbschaft im Leistungszeitraum stattfindet. Allgemein wird also Einkommensqualität bejaht. Nach diesseitiger Ansicht müsste nach Geld und Geldeswert differenziert werden. Besteht der Nachlass in Geld, ist er eindeutig Einkommen. Die Einkommensregeln des SGB II kennen nur in § 11a Abs. 5 SGB II eine Unbilligkeitsregel, die aber nur für lebzeitige Zuwendungen gilt und hier keine Anwendung finden kann. Der Verweis auf das Vermögen kommt daher eigentlich nur dann in Betracht, wenn nach Anwendung der Verteilregel des § 11 Abs. 3 SGB II aus Einkommen Vermögen geworden ist. Anders ist es, wenn es um eine Erbschaft geht, aus der Zuflüsse in Geldeswert generiert werden. Sie sind per se Vermögen.
Rz. 98
Eine andere Frage stellt sich zu einer bisher nicht berücksichtigten Lebensversicherung, deren Begünstigter der überlebende Ehegatte wird und der damit nunmehr den Vermögensschonbetrag überschreitet. Ist die ausgezahlte Versicherungssumme Einkommen oder verwertbares Vermögen? Die Bundesagentur behandelt den Zufluss als einmalige Einnahme und führt dann aus: "Ggf. ist zu prüfen, ob von der Verwertung von Teilen der Versicherungssumme gem. § 12 Absatz 3 Nr. 6 SGB II abzusehen ist, weil dies wegen des Vermögenszweckes (z.B. Beerdigungskosten, Grabpflege) für die leistungsberechtigte Person eine unbillige Härte bedeuten würde."
M.E. kann sich der "Aggregatzustand" von Einkommen zu Vermögen nicht so einfach ändern. Dem steht auch die Forderungsrechtsprechung des BSG entgegen, die die Forderung eines Bezugsberechtigten im Leistungszeitraum sogar dann als Einkommen behandelt, wenn die Forderung aufgrund eines Erbfalles vor dem Antragszeitraum entstanden wäre.
Fazit
Die Antworten zeigen, dass die Zuordnung von Einkommen zu Vermögen z.T. zu unvorhersehbaren Ergebnissen führt und sich eine Diskussion lohnen kann.