Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 200
Wenn die Voraussetzungen für den Anspruchsübergang gegeben sind, so findet der gesetzliche Übergang des Anspruches auf den Sozialleistungsträger (§ 6d SGB II – Jobcenter) statt. Was der Übergang des Anspruches auf den Sozialhilfeträger bewirkt, ist wiederum zivilrechtlich geregelt.
a) Der Anspruchsübergang
Rz. 201
Nach § 412 BGB gelten für den gesetzlichen Forderungsübergang die Vorschriften der §§ 399–404, 406–410 BGB entsprechend. Dazu kann vollinhaltlich auf die Ausführungen zum SGB XII Bezug genommen werden.
Hinweis
Der Drittschuldner hat stets ein hohes Interesse daran, die Elemente des "Regress-Dreiecks" seinerseits genau zu prüfen:
▪ |
Welche Sozialhilfeleistungen hat der Sozialhilfeträger für den Leistungsbezieher aufgrund welcher Einkommens- und Vermögensverhältnisse, in welchem Umfang, mit welchem Rechtsgrund und für welchen Zeitraum geleistet? |
▪ |
Welche Ansprüche gegen den Drittschuldner bestehen für diesen Zeitraum? |
▪ |
Wäre die Sozialhilfeleistung unterblieben, wenn der Anspruch rechtzeitig erfüllt worden wäre oder wäre aufgrund sozialhilferechtlicher Vorschriften ohnehin zu leisten gewesen? |
▪ |
Sind die Voraussetzungen des Anspruchsübergangs nach § 33 SGB II gegeben? |
Ohne eine genaue Aufschlüsselung der erbrachten Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhaltes dürfte die Geltendmachung durch das Jobcenter unschlüssig sein.
b) Rückübertragung des Anspruchs und die Abtretung
Rz. 202
Nach § 33 Abs. 4 SGB II kann der Sozialhilfeträger den kraft Gesetzes übergegangenen Anspruch im Einvernehmen mit dem Leistungsempfänger auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Anspruch dann wieder abtreten lassen.
Um dem Einwand zu begegnen, die treuhänderische Rückerstattung sei nach § 32 Abs. 1 SGB I nichtig, weil sie dem Leistungsberechtigten das Prozess- bzw. Kostenrisiko für die Geltendmachung der rückübertragenen Ansprüche auferlege, wurde der Sozialhilfeträger in § 33 Abs. 4 S. 2 SGB II verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, mit denen der Leistungsempfänger "dadurch" selbst belastet wird. In der Praxis spielt dies Konstellation bei Erbfall und Schenkung so gut wie keine Rolle.
c) Aktiv-/Passivlegitimation des Hilfeträgers
Rz. 203
Das Jobcenter (§ 6d SGB II) ist im gerichtlichen Verfahren nach Anspruchsübergang aktiv- und passivlegitimiert. Der Hilfeträger kann aus eigenem übergegangenem Recht Ansprüche des Leistungsbeziehers gegen den Drittschuldner bis zur Höhe seiner eigenen Aufwendungen für den konkreten Hilfeempfänger, der Inhaber des Anspruchs ist, geltend machen; im Übrigen bleibt der Anspruch beim Hilfeempfänger.
d) Aktivlegitimation des Hilfeträgers für die Vergangenheit
Rz. 204
Soweit der Hilfeträger geleistet hat und der Anspruch auf ihn übergegangen ist, darf er nicht für eine länger zurückliegende Zeit als ab Zugang der Rechtswahrungsanzeige an den Schuldner aus übergegangenem Recht gegen den Drittschuldner vorgehen (§ 33 Abs. 3 S. 1 SGB II).
e) Aktivlegitimation des Hilfeträgers für die Zukunft
Rz. 205
Für die Zukunft darf der Hilfeträger unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 S. 2 SGB II aus eigenem Recht bis zur Höhe seiner bisherigen monatlichen Aufwendungen gegen den Drittschuldner vorgehen, wenn zu erwarten ist, dass er auch künftig öffentliche Leistungen wird erbringen müssen.
Macht auch der Gläubiger seinen Anspruch für die Zukunft gegen den Schuldner gerichtlich geltend, ist für die Zulässigkeit der beiden Anträge maßgeblich, welcher Antrag zuerst zugestellt worden ist (Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit, §§ 113, 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), sofern die beiden Anträge denselben Streitgegenstand (in zeitlicher Hinsicht und der Höhe nach) betreffen. Beide Anträge sollen nebeneinander zulässig sein. Die Einzelheiten dazu sind bisher allerdings ungeklärt.