Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 149
Allgemein kommt es darauf an, ob der Vermögenseinsatz nach den Regelvorschriften und Leitvorstellungen des SGB II wegen des Vorliegens einer Atypik nicht zu einem adäquaten Ergebnis führen würde. Es geht also um die atypischen und ungewöhnlichen Fälle, bei denen auf Grund
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der Dauer der Hilfe |
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des Alters |
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der Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit |
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des Familienstandes oder |
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sonstiger schwerer Belastungen |
die soziale Stellung des Hilfesuchenden durch die Vermögensverwertung nachhaltig beeinträchtigt wäre.
Von der besonderen Härte sind Fälle umfasst, bei denen ein Schontatbestand nach § 12 SGB II nicht in Betracht kommt, dies aber so grenzwertig ist, dass über den Härtebegriff zu helfen ist.
Rz. 150
Stets ist eine Einzelfallprüfung notwendig, bei der die Wertungen des SGB II, die sich u.a. aus dem Subsidiaritätsgrundsatz des § 9 Abs. 1 SGB II ergeben, einzubeziehen sind. So hat das BSG z.B. offengelassen, ob eine besondere Härte dann angenommen werden kann, wenn erst der Auszug zunächst mit in dem Haus wohnender Personen zu einer Verschiebung der Angemessenheitsgrenze und damit zur Verwertbarkeit führt. Auf jeden Fall könne dies überhaupt nur für einen kurz zu bemessenden Übergangszeitraum gelten, nicht aber, wenn ein Haus schon länger als ein Jahr vor dem streitbefangenen Zeitraum nur noch von einer geringeren Anzahl von Personen bewohnt werde.
Rz. 151
Eine besondere Härte wird bejaht, wenn das alsbaldige Ausscheiden des Leistungsbeziehers aus dem Leistungsbezug ernsthaft in Betracht kommt oder gar mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht.
Zitat
"In einer solchen Situation zur Vermeidung eines kurzzeitigen Leistungsbezugs ein selbst bewohntes Grundstück oder eine selbst bewohnte ETW verwerten und damit das bis dahin bestehende Wohnumfeld dauerhaft aufgeben zu müssen, verlangt den Betroffenen ein Sonderopfer ab, das regelmäßig außer Verhältnis steht zu den von der Allgemeinheit bis zur endgültigen Klärung aufzubringenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. (…) Gemessen an den Folgen bedeutet die dauerhafte Aufgabe des bisherigen Lebensmittelpunkts ein unzumutbares Sonderopfer vielmehr regelmäßig schon dann, wenn das alsbaldige Wiederausscheiden aus dem Leistungsbezug zwar unsicher ist, nach den Umständen des Einzelfalls aber mindestens als ernsthaft möglich erscheinen muss. Ist diese Möglichkeit in absehbarer Zeit nach den objektiven Umständen konkret in Betracht zu ziehen, wird das Interesse der Betroffenen daran, ihren bisherigen Lebensmittelpunkt nicht schon vor der endgültigen Klärung der künftigen Hilfebedürftigkeit aufgeben zu müssen, regelmäßig schwerer wiegen als das Interesse der Allgemeinheit, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur zu erbringen, wenn Möglichkeiten zur Selbsthilfe nicht bestehen. Erst recht gilt das, wenn sich Betroffene einem Arbeitsversuch unterziehen – (…). – oder eine stufenweise Wiedereingliederung i.S.v. § 28 SGB IX absolvieren und damit – nach der Konzeption des SGB II politisch erwünscht – dem auch öffentlichen Interesse nachkommen, im Rahmen zumutbarer Selbsthilfe aus dem Leistungsbezug auszuscheiden."
Rz. 152
Ein Vergleich von § 12 SGB II und § 90 SGB XII gehört für die Prüfung der Härte ebenfalls dazu, da ein solcher Vergleich Anlass dazu geben kann, eine harmonisierende Angleichung zwischen beiden Systemen vorzunehmen.
Beispiele:
Eine Härte kann gegeben sein
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unter dem Leitgedanken der Alterssicherung nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 SGB II, wenn trotz lückenhafter Alterssicherung die Ersparnisse kurz vor Erreichen des Rentenalters noch eingesetzt werden müssten. |
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unter dem Leitgedanken der Aufrechterhaltung des Lebensmittelpunktes, wenn durch den Fall besondere weitere Schontatbestände des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–5 SGB II bzw. deren Leitgedanken angesprochen sind. Das kann z.B. zutreffen, wenn ein behinderter oder pflegebedürftiger Mensch von der Verwertung einer ihm vertrauten, aber nicht mehr angemessenen Immobilie betroffen wäre. |
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unter dem Leitgedanken des Zusammenlebens im "typischen Familienheim, das über die Generationen weitergegeben werden soll", wenn die Immobilie die typischen Angemessenheitskriterien außerhalb der Wohnfläche nicht überschreitet und auch bei den Familienangehörigen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist. Sinn und Zweck eines Vermögensschutzes für ein Hausgrundstück aus Härtefallgründen ist es nicht, wirtschaftlich leistungsfähigen Angehörigen ein kostenfreies Mitwohnen in einem Haus, dessen Schutz vor Berücksichtigung bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit begehrt wird, zu ermöglichen. Eine besondere Härte liegt danach nicht vor, wenn wirtschaftlich leistungsfähige Angehörige mit dem Hilfesuchenden "unter einem Dach" wohnen, ohne einen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Beitrag für das Wohnen zu leisten. |
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unter dem Leitgedanken des "Zusammenhaltes des eigenen Familienverbandes" je nach Einzelfall. Danach widerspricht den Wertung... |