Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 213
Erst recht ist es nicht anders, wenn der potentielle oder reale Sozialleistungsempfänger die ihm zugeflossenen Mittel aus Schenkung oder Erbfall verprasst oder damit Schulden tilgt. Für das Vermögen gilt, hergeleitet aus § 12 Abs. 4 SGB II, dass dann, wenn eine Änderung des Verkehrswertes des vorhandenen Vermögens durch Veräußerung, Belastung oder durch sonstige Umstände eintritt, dies bei der Leistung zu berücksichtigen ist, ohne dass es auf den Grund der Vermögensänderung ankommt.
Rz. 214
Auch wenn dem Leistungsbezieher die unbedingte Obliegenheit trifft, seine Mittel unter allen Umständen für die existentielle Bedarfsdeckung auszugeben und keineswegs für eine Schuldentilgung oder ein "gutes" Leben einzusetzen, so dürfen ihm die Konsequenzen dieses Handelns nicht in der Form der Leistungsverweigerung entgegengehalten werden. Wie im SGB XII kommt es für die grundsätzliche Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers im SGB II nicht auf die Gründe der Bedürftigkeit an. Dies haben Rechtsprechung und Literatur immer wieder betont.
Rz. 215
Die "Reparatur" unerwünschter Gestaltungen und missbilligten Konsumverhaltens ist deshalb aber nicht ausgeschlossen, sondern erfolgt auf der Ebene des "Sozialhilfe"-Regresses, nämlich des Kostenersatzanspruches bzw. der Herabsetzung von Leistungsansprüchen. Die Grenze dieser Reparatur – so das SG Karlsruhe in einer Entscheidung v. 17.12.2015 – ist dort, wo der Leistungsträger Leistungen nur aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert, die sich auf vergangene Umstände beziehen. Das schlichte Bestreiten des Sozialhilfeträgers, es sei weiteres Einkommen oder Vermögen da, reicht für eine Leistungsverweigerung nicht aus. Der Sozialleistungsträger trägt die Beweislast für die Voraussetzungen der Sanktionsregeln und ist bereits im frühen Verfahrensstadium "verpflichtet, die Tatbestandsvoraussetzungen zu ermitteln und entsprechend festzustellen, damit sich der Leistungsberechtigte im Verfahren mit seiner Argumentation auf die die Entscheidung tragenden Gründe einrichten kann."
Hinweis
Umgekehrt trägt der Antragsteller die Beweislast für Umstände, die in seiner Sphäre liegen, wie z.B. die persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse. "Soweit ein SGB II-Bezieher geltend macht, dass ihm ein einmal zugeflossener Vermögenswert nicht mehr zur Verfügung steht, trägt er hierfür die Vortrags- und Beweislast." Hinzu treten die sozialrechtlichen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I, die zur Vorlage von Beweismitteln anhalten und verlangen, dass man ihrer Vorlage zustimmt.
Das kann nur ausnahmsweise eingeschränkt anders sein, wenn der Betroffene durch eine Erkrankung oder Behinderung jegliche Kontrolle über sein Ausgabeverhalten verloren hat.
Rz. 216
Die Sanktion der Herabsetzung von Leistungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB II und der Kostenersatz nach § 34 SGB II stehen selbstständig nebeneinander. Die Sanktionierung eines Fehlverhaltens nach § 31 SGB schließt einen nachfolgenden Kostenersatzanspruch nicht aus, weil "beide Vorschriften in einem inneren Zusammenhang stehen und ein einheitliches System der Reaktion auf sozialwidriges Verhalten bilden."
Nicht jede Verwirklichung eines nach § 31 SGB II sanktionsbewehrten Tatbestands begründet aber zugleich einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II. "Die Vorschriften stehen vielmehr – soweit ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II an Verhalten anknüpfen soll, das schon Anlass für eine Leistungsminderung nach den §§ 31 ff. SGB II gegeben hat – in einem Stufenverhältnis, nach dem auf die Verwirklichung eines nach § 31 SGB II sanktionsbewehrten Tatbestands regelhaft mit einer Minderung nach den §§ 31a und 31b SGB II zu reagieren und (nur) in einem besonderen Ausnahmefall zusätzlich ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II geltend zu machen ist. Kennzeichen dessen ist, dass – deliktsähnlich – die in den Tatbeständen des § 31 SGB II ausgedrückten Verhaltenserwartungen in besonders hohem Maß verletzt worden sind."
Rz. 217
Beide Normen produzieren Konsequenzen in einem sehr überschaubaren Umfang:
§ 31b Abs. 1 S. 3 SGB II begrenzt den Leistungs-Minderungszeitraum auf drei Monate, was dieser Regressvorschrift deutlich die Schärfe nimmt.
Der Kostenersatzanspruch nach § 34 SGB II erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistungen erbracht wurden. Der Kostenersatzanspruch "tut allerdings wirklich weh", weil der Sozialleistungsträger nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB II gegen Leistungsansprüche mit Ersatzansprüchen nach § 34 SGB II in Höhe von 30 % des Regelbedarfs aufrechnen kann. Der Schonvermögensschutz des § 12 SGB II wirkt gegenüber einem Ersatzanspruch nach § 34 SGB II ebenfalls nicht.
Rz. 218
Falllösung Fallbeispiel 67:
In allen Varianten ist es so, dass dem Hilfesuchenden mangels "bereiter" Mittel oder nicht verwertbaren Vermögens Leistungen nicht verwehrt werden dürfen.
1. Variante:
In Variante 1 gibt es allerdings eine Besonderheit. Das Ansparen von Vermögen zur Alterssicherung fällt dem Grunde nach...