Dr. Gudrun Doering-Striening
I. Überblick
Rz. 158
Das Leistungsstörungsrecht des SGB II richtet sich auf die Wiederherstellung des Zustands, der bestanden hätte, wenn das grundsätzlich vorhandene Einkommen bzw. Vermögen zur Bedarfsdeckung zur Verfügung gestanden hätte, also ein "bereites" oder prognostisch "im Leistungszeitraum verwertbares Vermögen" gewesen wäre. Die Grundstruktur des Sozialhilferegresses im SGB II ist dem des SGB XII nur bedingt ähnlich. Für Fälle aus Erbfall und Schenkung interessieren vorwiegend die §§ 24, 31,31a, 34 SGB II.
Rz. 159
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Eine Leistung kann unter besonderen Voraussetzungen zur Sicherstellung der aktuellen Bedarfsdeckung als Darlehen beansprucht werden (§§ 24 Abs. 1, 42a SGB II; §§ 24 Abs. 4 S. 2 und Abs. 5 SGB II). |
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Eine Leistung kann – ggf. bis auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche – wegen der Reduzierung solch bedarfsdeckender Mittel (§§ 31 Abs. 2 Nr. 1, 31a, 31b SGB II) in der Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Sozialleistung herbeizuführen, herabgesetzt werden. |
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Kostenersatzansprüche (§§ 34 ff. SGB II) und Rückgewähransprüche (§§ 45, 48, 50 SGB X) des Leistungsträgers entstehen wegen einer materiell nicht oder nicht auf Dauer zustehenden – also einer ungerechtfertigten oder sozialwidrig herbeigeführten – Bereicherung. |
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Kompensatorische Ansprüche gegen Dritte (§ 33 SGB II) entstehen für den Sozialhilfeträger, wenn der Hilfesuchende eigene, zur Bedarfsdeckung generell geeignete Ansprüche hat, aber nicht zeitnah realisieren kann. |
Ansprüche wegen sozialrechtlicher Erbenhaftung gemäß § 35 SGB II hat der Gesetzgeber 2016 abgeschafft.
Trotz aller Unterschiede kann auf viele Ausführungen zum SGB XII Bezug genommen werden.
II. Die Durchsetzung des Nachrangs durch Darlehensgewährung – § 24 SGB II
Rz. 160
Wie im SGB XII ist es auch im SGB II nicht zulässig, Leistungen generell und ganz allgemein zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Form eines Darlehens zu gewähren. Die Möglichkeit der Darlehensgewährung stellt eine Begrenzung von Faktizitäts- und Gegenwärtigkeitsgrundsatz dar. Die Gewährung von Darlehen anstelle von nicht zurückzahlbaren Zuschüssen soll – im Lichte der Strukturprinzipien des SGB II – eine Ausnahme sein. Sie bedarf einer Rechtsgrundlage:
Rz. 161
Für die hier interessierenden Fragen von Schenkung und Erbfall ist lediglich § 24 SGB II von Interesse. § 24 SGB II bietet dazu mehrere Fallkonstellationen an:
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Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen (§ 24 Abs. 1 SGB II). |
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Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II vorzeitig verbraucht haben (§ 24 Abs. 4 SGB II). |
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Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird (§ 24 Abs. 5 SGB II). |
1. § 24 Abs. 1 SGB II
Rz. 162
§ 24 Abs. 1 SGB XII ermöglicht Darlehensleistungen, wenn ein von den Regelbedarfen umfasster Bedarf nicht gedeckt werden kann. Die Bedarfsdeckung muss unabweisbar geboten sein. Und auf keine andere Art gedeckt werden können. Es stellte sich bisher häufig wie im SGB XII die Frage, ob dann, wenn der Hilfesuchende Mittel aus Erbfall oder Schenkung "verprasst", nicht darlehensweise Leistungen nach § 24 Abs. 1 SGB V erbracht werden können, um ein solches Verhalten nicht zu begünstigen. Das Problem hat der Gesetzgeber seit dem 1.1.2017 über § 24 Abs. 2 S. 2 SGB II gelöst.
2. Vorzeitig verbrauchte Einmaleinnahmen (§ 24 Abs. 4 S. 2 SGB II)
Rz. 163
§ 24 Abs. 4 S. 2 SGB II geht vom "normativen" Zufluss von einmaligen Einkünften aus. Grundsätzlich fließt Einkommen nur einmal zu und es gilt das Monatsprinzip. § 11 Abs. 3 SGB II regelt den Zufluss für einmalige Einnahmen aber "normativ" für die Dauer eines Verteilzeitraumes von sechs Monaten.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes verliert eine einmalige Einnahme ihren Charakter als Einkommen auch nach erneuter Antragstellung im nachfolgenden Bewilligungszeitraum nicht. Steht die einmalige Einnahme aber tatsächlich im Bedarfszeitraum...