Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 160
Wie im SGB XII ist es auch im SGB II nicht zulässig, Leistungen generell und ganz allgemein zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Form eines Darlehens zu gewähren. Die Möglichkeit der Darlehensgewährung stellt eine Begrenzung von Faktizitäts- und Gegenwärtigkeitsgrundsatz dar. Die Gewährung von Darlehen anstelle von nicht zurückzahlbaren Zuschüssen soll – im Lichte der Strukturprinzipien des SGB II – eine Ausnahme sein. Sie bedarf einer Rechtsgrundlage:
Rz. 161
Für die hier interessierenden Fragen von Schenkung und Erbfall ist lediglich § 24 SGB II von Interesse. § 24 SGB II bietet dazu mehrere Fallkonstellationen an:
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Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen (§ 24 Abs. 1 SGB II). |
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Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II vorzeitig verbraucht haben (§ 24 Abs. 4 SGB II). |
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Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird (§ 24 Abs. 5 SGB II). |
1. § 24 Abs. 1 SGB II
Rz. 162
§ 24 Abs. 1 SGB XII ermöglicht Darlehensleistungen, wenn ein von den Regelbedarfen umfasster Bedarf nicht gedeckt werden kann. Die Bedarfsdeckung muss unabweisbar geboten sein. Und auf keine andere Art gedeckt werden können. Es stellte sich bisher häufig wie im SGB XII die Frage, ob dann, wenn der Hilfesuchende Mittel aus Erbfall oder Schenkung "verprasst", nicht darlehensweise Leistungen nach § 24 Abs. 1 SGB V erbracht werden können, um ein solches Verhalten nicht zu begünstigen. Das Problem hat der Gesetzgeber seit dem 1.1.2017 über § 24 Abs. 2 S. 2 SGB II gelöst.
2. Vorzeitig verbrauchte Einmaleinnahmen (§ 24 Abs. 4 S. 2 SGB II)
Rz. 163
§ 24 Abs. 4 S. 2 SGB II geht vom "normativen" Zufluss von einmaligen Einkünften aus. Grundsätzlich fließt Einkommen nur einmal zu und es gilt das Monatsprinzip. § 11 Abs. 3 SGB II regelt den Zufluss für einmalige Einnahmen aber "normativ" für die Dauer eines Verteilzeitraumes von sechs Monaten.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes verliert eine einmalige Einnahme ihren Charakter als Einkommen auch nach erneuter Antragstellung im nachfolgenden Bewilligungszeitraum nicht. Steht die einmalige Einnahme aber tatsächlich im Bedarfszeitraum nicht mehr zur Verfügung, sind aus Gründen der Existenzsicherung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne weitere Anrechnung der einmaligen Einnahme zu erbringen. Warum?
Rz. 164
Ein abweichendes Ausgabeverhalten außerhalb des Sechs-Monats-Verteilzeitraums läuft der Grundentscheidung des Gesetzgebers zuwider. Für eine Leistungsverweigerung aufgrund verschuldeter Bedürftigkeit gibt es im SGB II aber keine Rechtsgrundlage. Das SGB II kennt eine Verschuldensregel vergleichbar § 254 BGB nicht. Wenn Mittel tatsächlich nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung stehen, ist deshalb nach der Rspr. des BSG ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen (Faktizitätsprinzip/Bedarfsdeckungsgrundsatz). Das BSG bestätigt, dass die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichem Verhalten abzuwenden gewesen wäre, mit Art. 1 GG i.V.m. Art. 20 GG nicht vereinbar ist. Einkommen darf nicht "fiktiv" berücksichtigt werden, sondern es muss tatsächlich geeignet sein, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Das BSG weist zurecht darauf hin, dass für das unerwünschte Ausgabeverhalten eines Hilfesuchenden auf das Leistungsstörungsrecht des SGB II zurückgegriffen werden muss. Es gelten die Kostenersatzregeln der §§ 34, 34a SGB II und die Leistungsherabsetzungsregeln der §§ 31 Abs. 2 Nr. 2, 31a SGB II.
Rz. 165
Zu prüfen ist also immer, ob im Zeitpunkt der Antragstellung noch "bereite Mittel" vorhanden sind, die geeignet sind, den konkreten Bedarf zu decken. Ist das nicht der Fall, besteht mangels "bereiter" Mittel ein Anspruch.
Diese Rechtsprechung des...