Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 99
Was Vermögen i.S.d. SGB II ist, ergibt sich aus der vorstehend diskutierten Abgrenzung zum Einkommen. Wenn die Frage danach, ob Einkommen oder Vermögen vorliegt, im Sinne des Vermögens entschieden ist, schließt sich folgende Prüfung an:
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Über welche Vermögenswerte |
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mit welchem Verkehrswert |
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kann die Leistungen nach dem SGB II beanspruchende Person verfügen? |
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Sind diese Vermögenswerte tatsächlich und rechtlich verwertbar? |
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Sind die Vermögenwerte in absehbarer und angemessener Zeit verwertbar? |
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Übersteigen die Vermögenswerte (= Verkehrswerte) die Vermögensfreibeträge? |
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Sind Schonvermögenstatbestände zu berücksichtigen? |
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Ist die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich? |
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Ist die Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte? |
Rz. 100
§ 12 SGB II regelt: Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Dafür gelten folgende Grundregeln:
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Vermögen ist nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern es sind die vorhandenen aktiven Vermögenswerte. |
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Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs. Das BSG korrigiert den Tag der Antragstellung auf den Ersten eines Monats. |
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Wesentliche Änderungen des Verkehrswerts sind zu berücksichtigen. Tritt durch Veräußerung, Belastung oder durch sonstige Umstände eine Änderung des Verkehrswertes ein, so ist diese Änderung zu berücksichtigen, ohne dass es auf das "Warum" für diese Veränderung ankommt. Die Bedürftigkeit kann sich also verändern, z.B. im weiteren Verlauf wegfallen oder auch neu bzw. erneut entstehen. |
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Schulden mindern das Vermögen des Hilfesuchenden nicht. Allein die Absicht, das Vermögen zur Schuldentilgung verwenden zu wollen, schließt dessen Berücksichtigung nicht aus. |
Ausnahmsweise finden Verbindlichkeiten, die unmittelbar mit dem Vermögenserwerb entstanden oder auf andere Art und Weise mit ihm verknüpft sind, Berücksichtigung, wenn es sich um aktuelle Zahlungsverpflichtungen handelt. Nachlassverbindlichkeiten darf der Erbe daher anders als bei sonstigen Verbindlichkeiten abziehen. Der Umfang ist allerdings streitig. Eine fiktive Vermögensberücksichtigung, z.B. in Form eines rein rechnerischen Zeitraums der Bedarfsdeckung, scheidet, falls das einmal vorhandene Vermögen ausgegeben wurde, aus. Wenn der Leistungsberechtigte ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat, entsteht ein neuer Leistungsanspruch. Insofern haben die tatsächlichen Verhältnisse Vorrang, und zwar bezogen auf den Tag, an dem die wesentliche Änderung eingetreten ist. Vermögen wird solange berücksichtigt, wie es vorhanden ist. Ein fiktiver Vermögensverbrauch kommt nicht in Betracht.