Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 131
Neben den Freibetragsregelungen nimmt das SGB II – wie bereits vorstehend auch für das SGB XII beschrieben – bestimmte verwertbare Vermögensgegenstände ausdrücklich von der Berücksichtigung aus (§ 12 Abs. 3 SGB II). Dabei geht es u.a. um eine gewisse Form der Besitzstandswahrung, z.B. um den Erhalt "des Dachs über dem Kopf" und andere sozialpolitisch als verschonungswürdig angesehene Werte. Das Muster der Vermögensanrechnung entspricht der Prüfung im SGB XII, unterscheidet sich aber insbesondere gravierend bei den Besitzstandsregeln zum Vermögen, wie es sich z.B. aus typischerweise vorhandenen Lebensversicherungen ergeben kann.
Die Kenntnis dieser sog. Schonvermögenstatbestände oder "normativen Schutzschirme" ist für alle erbrechtlichen und schenkungsrechtlichen Gestaltungen unerlässlich.
1. Schonvermögenstatbestände allgemein
Rz. 132
Für besonderes, gegenständlich bezeichnetes oder gewidmetes Vermögen wird in § 12 SGB II jeweils fingiert, dass es sich um nicht verwertbares Vermögen handelt.
Von besonderem Interesse sind im SGB II
2. Das Hausgrundstück von angemessener Größe, § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II
Rz. 133
Im Zusammenhang mit dem Wunsch, etwas zu verschenken oder zu vererben, sind das selbstgenutzte Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II von besonderer praktischer Bedeutung.
Der Wunsch, das Hausgrundstück als Familienheim zu erhalten, ist bei der Prüfung der Angemessenheit nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 und S. 2 SGB II kein rechtlich maßgeblicher Gesichtspunkt; ebenso wenig der bisherige Lebensstandard. Denn eine Lebensstandardsicherung ist mit den existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht bezweckt, auch nicht aus zufließender Erbmasse oder Schenkungen.
Rz. 134
Fallbeispiel 64: Die zu große Wohnung
Ein Bauingenieur hatte von seinen Eltern eine im Dachgeschoss gelegene Wohnung nebst Kellerräumen und einem Sondernutzungsrecht an einem Spitzboden sowie einen Miteigentumsanteil an einem Garagengrundstück erhalten und bewohnte diese Wohnung nach dem Tod der Eltern selbst. Seit 2005 stand der Ingenieur im Leistungsbezug. In 2014 begann der Leistungsträger mit der Prüfung, ob verwertbares Vermögen in der Wohnung liege, die der Ingenieur zunächst selbst mit 117 qm angegeben hatte. Da er die Besichtigung seiner Wohnung konsequent verweigerte, wurden ihm Leistungen nur noch darlehensweise gewährt und später – mangels Verwertungsbemühungen – gar nicht mehr. Dagegen wendete sich der Kläger.
Rz. 135
§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II bezieht – anders als § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII – die Angemessenheit eines Grundstücks nur auf die Größe des Hausgrundstücks. In § 90 SGB XII geht es dagegen um eine Angemessenheit, die sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes richtet. Das bewirkt einerseits eine Privilegierung der Leistungsberechtigten nach dem SGB II gegenüber denen nach dem SGB XII, die das BSG bislang unbeanstandet gelassen hat. Andererseits ist dadurch im SGB II aber auch nur ein kleinerer Personenkreis in die Angemessenheitsprüfung einbezogen.
Rz. 136
Im SGB II wird nur auf den Haushalt, in dem die die Leistungen beanspruchende Person wohnt und lebt, abgestellt. Einbezogen sind nur die Bedarfsgemeinschaftsmitglieder i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II sowie die für längere Zeit in einer Haushaltsgemeinschaft i.S.d. § 9 Abs. 5 SGB II lebenden weiteren Personen, während im SGB XII auch Angehörige i.S.v. § 16 Abs. 5 Nr. 3 SGB X dazugehören, also auch Verwandte und Verschwägerte gerader Linie.
In Fällen des Zusammenwohnens mit anderen Personen ist – solange eine rechtliche Teilung eines Wohngrundstücks oder einer Eigentumswohnung nicht vorliegt – bei der Prüfung de...