1. Pfändbare Ansprüche
Rz. 152
Ansprüche auf Erstattung von Steuern, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen sind grds. pfändbar (§ 46 Abs. 1 AO). Anders als im Rahmen der Pfändung von Arbeitseinkommen gibt es bei der Pfändung von Steuererstattungsansprüchen keine Schutzvorschriften; es handelt sich um öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche aus dem Steuerverhältnis (§ 37 AO), nicht um Arbeitslohn.
Rz. 153
In der Praxis relevant sind hierbei überwiegend nur die Ansprüche auf Einkommen- oder Lohnsteuererstattung, evtl. auch Körperschaftssteuer oder Umsatzsteuererstattung. Im Pfändungsbeschluss müssen Steuerart (Einkommensteuer und/oder Lohnsteuerjahresausgleich, andere Steuerarten) genau bezeichnet werden.
Rz. 154
Eine ausdrückliche Kennzeichnung des Steuerjahres ist allerdings unerheblich, da nur rückständige Erstattungsansprüche gepfändet werden können (§ 46 Abs. 6 AO). Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über nicht näher konkretisierte Umsatzsteuervergütungsansprüche ist auch dann hinsichtlich der bei seiner Zustellung bereits entstandenen Ansprüche hinreichend bestimmt, wenn der letzte betroffene Vergütungszeitraum nicht benannt ist. Ein solcher Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist dahin auszulegen, dass alle bereits entstandenen Vergütungsansprüche betroffen sind.
Rz. 155
Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss darf aber nicht erlassen werden, bevor der Anspruch entstanden ist; ein entgegen diesem Verbot erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist unheilbar nichtig (§ 46 Abs. 6 AO).
Rz. 156
Hinweis
Da die Erstattung der Lohn- und Einkommensteuer nur für das abgelaufene Kalenderjahr gilt, entsteht der Anspruch frühestens am ersten Tage des Folgejahres. Der Pfändungsbeschluss darf daher erst am 2.1. eines Jahres für die zurückliegenden Jahre erlassen werden. Wird der Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses bereits in den letzten Wochen eines Jahres bei dem Amtsgericht eingereicht, sollte trotz Kenntnis dieser zuvor genannten Tatbestände ausdrücklich darauf hingewiesen werden, den Beschluss erst am 2.1. des Folgejahres zu erlassen.
2. Drittschuldner
Rz. 157
Drittschuldner für die Pfändung ist grds. das Finanzamt, in dessen Bezirk der Schuldner am Schluss des Ausgleichsjahres seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat (§ 46 Abs. 7 AO). Bei Zustellung an ein nicht zuständiges Finanzamt geht die Pfändung ins Leere; dies trifft auch dann zu, wenn das nicht zuständige Finanzamt die Pfändung an das tatsächlich richtige Finanzamt weiterleitet. Dies wird neuerdings auch anders gesehen: Ein einmal wirksam gewordener Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verliert seine Wirksamkeit nicht dadurch, dass die örtliche Zuständigkeit für die Veranlagung des Schuldners der gepfändeten Forderung auf ein anderes Finanzamt übergeht. Der Wechsel der Zuständigkeit bewirkt vielmehr, dass gem. § 26 AO das zuständig gewordene Finanzamt das Steuerschuldverhältnis vom zuvor zuständig gewesenen Finanzamt übernimmt – einschließlich aller bestehenden Rechte und Pflichten. Das Veranlagungsverfahren geht in dem Stadium auf das zuständig gewordene Finanzamt über, in dem es sich zum Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels befindet. Alle zu diesem Zeitpunkt geltenden Maßgaben – etwa auch ein wirksam gewordener Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – sind vom zuständig gewordenen Finanzamt weiterhin zu beachten und wirken auch diesem gegenüber. Das neue Finanzamt gilt nunmehr gem. §§ 26 i.V.m. 46 Abs. 7 AO als Drittschuldner des gepfändeten Anspruchs.
Rz. 158
Ist der Schuldner bei einem Arbeitgeber beschäftigt, der am Ende des Erstattungsjahres mindestens zehn Arbeitnehmer beschäftigt, ist der Arbeitgeber zur Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs verpflichtet. Bei weniger als zehn Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber berechtigt, den Jahresausgleich vorzunehmen (§ 42b EStG). Drittschuldner ist in diesem Fall der Arbeitgeber des Schuldners. Die Zeitsperre (2.1. des Folgejahres) für den Erlass des Pfändungsbeschlusses gegenüber dem Finanzamt gilt bei dem Arbeitgeber nicht, § 46 Abs. 6 AO findet keine Anwendung.
Rz. 159
Hinweis
Da der Erstattungsanspruch kein Teil des Arbeitseinkommens ist, ist dem Gläubiger immer zu empfehlen, gleichzeitig mit der Pfändung des Arbeitseinkommens den Steuererstattungsanspruch auf künftige Leistungen und für die zurückliegenden Jahre zu pfänden.