Rz. 237

BGH, Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 290/11, zfs 2013, 322 = VersR 2013, 515

Zitat

BGB § 249; ZPO §§ 139, 308

a) Zwar kann sich daraus, dass ein angemietetes Ersatzfahrzeug nur für geringe Fahrleistungen benötigt wird, die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung ergeben. Doch kann im Einzelfall die Erforderlichkeit der Anmietung deshalb zu bejahen sein, weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist.
b) Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann demjenigen Geschädigten zustehen, der Ersatz der Kosten für einen Mietwagen nicht beanspruchen kann. Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann im Rechtsstreit (konkludent) hilfsweise geltend gemacht werden, ist aber auf Zahlung an den Geschädigten, nicht auf Freistellung von den Kosten des Vermieters gerichtet. Das Gericht hat insoweit auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken.

a) Der Fall

 

Rz. 238

Die Beklagte hatte der Klägerin unstreitig den bei einem Verkehrsunfall am 8.4.2008 entstandenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen. Die Parteien stritten – nach Abschluss eines Teilvergleichs hinsichtlich der Reparaturkosten – nur noch darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Klägerin auch Ersatz für die angefallenen Mietwagenkosten in Höhe von 5.390 EUR beanspruchen konnte. Die Reparaturzeit dauerte 93 Tage. Die Klägerin mietete vom 9.4. bis zum 11.7.2008 ein Ersatzfahrzeug an. Mit diesem Fahrzeug legte die Klägerin insgesamt 553 km (ca. 6 km/Tag) zurück.

 

Rz. 239

Auf die angefallenen Mietwagenkosten leistete die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 1.395 EUR, wobei sie von fiktiven Taxikosten in Höhe von 15 EUR täglich ausging. Die Klage war darauf gerichtet, die Klägerin von der Rechnung des Autovermieters in Höhe von weiteren 3.995 EUR freizustellen und an sie, die Klägerin, 402 EUR als Nebenkosten zu zahlen.

 

Rz. 240

Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, die Klägerin von der Rechnung des Autovermieters in Höhe von 1.860 EUR freizustellen und an die Klägerin 359 EUR als Nebenkosten zu zahlen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage vollständig abgewiesen und die Anschlussberufung der Klägerin, die ungeachtet unterschiedlich formulierter (Hilfs-)Anträge auf Freistellung bzw. Zahlung in Höhe der Klagesumme gerichtet war, zurückgewiesen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 241

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil war rechtsfehlerhaft, soweit das Berufungsgericht annahm, die Beklagte habe der Klägerin für die Ausfallzeit über den bereits gezahlten Betrag hinaus keine weitere Entschädigung zu leisten.

 

Rz. 242

Der durch die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs bedingte Nutzungsausfall ist regelmäßig ein nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzender Schaden. Der Schädiger hat ihn jedoch nicht unbegrenzt zu ersetzen. Mietwagenkosten sind grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als dies tatsächlich zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, der ohne die Schädigung bestehen würde. Zur Herstellung erforderlich sind nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Davon, wie sich der Nutzungsbedarf des Geschädigten im Einzelfall während der Entbehrung tatsächlich gestaltet hat, hängt u.a. ab, ob dieser sich im Zweifel mit dem inzwischen in der Praxis eingespielten Pauschalbetrag begnügen muss oder ob er einen höheren Aufwand für Mietwagen oder Taxen beanspruchen kann (Senatsurt. v. 23.3.1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 249; v. 10.3.2009 – VI ZR 211/08, zfs 2009, 564 = VersR 2009, 697 Rn 9).

 

Rz. 243

Das Berufungsgericht stellte darauf ab, dass die Anmietung eines Mietwagens unterhalb einer gewissen Kilometerleistung unwirtschaftlich sei und ein Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten deshalb nicht bestehe. Dem konnte in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Ob eine Maßnahme des Geschädigten zur Schadensbeseitigung unwirtschaftlich ist, kann nur mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Es ist nicht zu beanstanden, wenn insoweit bestimmte Fallgruppen gebildet werden, die die Beurteilung erleichtern, weil nicht jedem einzelnen Umstand des Schadensfalls eingehend nachgegangen werden muss. Nicht zu billigen ist aber, dass bestimmte Fallgruppen, in denen die Erforderlichkeit eines jederzeit verfügbaren Kraftfahrzeugs bei natürlicher Beurteilung auf der Hand liegt, einer undifferenzierten Beurteilung aufgrund eines untauglichen Maßstabs unterzogen werden.

 

Rz. 244

Zwar kann sich daraus, dass ein Fahrzeug nur für geringe Fahrleistungen benötigt wird, die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs ergeben. Bei gewissen Sachverhalten kann aber alleine die Notwendigkeit der ständigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs die Anmietung ein...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge