Rz. 287
Gem. § 2312 Abs. 3 BGB muss der Übernehmer dem Kreis der nach § 2303 BGB pflichtteilsberechtigten Personen angehören. Ausreichend ist insoweit eine "abstrakte" Pflichtteilsberechtigung. Ob dem Übernehmer nach § 2309 BGB im konkreten Fall tatsächlich ein Pflichtteilsrecht zusteht, ist nicht entscheidend. Allerdings muss der Übernehmer des Landguts Gesamtrechtsnachfolger, also Erbe, sein; ein Übergang des Landguts kraft Vermächtniserfüllung führt nicht in den Anwendungsbereich von § 2312 BGB. Ist das Landgut Gegenstand eines Vorausvermächtnisses, ist dies für die Anwendung von § 2312 BGB natürlich unschädlich, da der Übernehmer in dieser Situation Erbe geworden und durch das Vermächtnis lediglich gegenüber den übrigen Miterben privilegiert wird, da er – anders als im Falle einer Teilungsanordnung – das Gut neben dem ihm im Übrigen hinterlassenen Erbteil erhalten soll.
Rz. 288
Soweit das Landgut lebzeitig übertragen und der Übernehmer später gar nicht Erbe wird, ist fraglich, wie ein etwaiger Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen ist. Zum einen kommt eine Berechnung auf Verkehrswertbasis in Betracht, zum anderen eine Art "gespaltene" Berechnung, in die im Falle der Inanspruchnahme des Erben (nach § 2325 BGB) der Verkehrswert und im Falle der Inanspruchnahme des Beschenkten (nach § 2329 BGB) der Ertragswert einbezogen wird. Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der ratio der Vorschrift wird man im Ergebnis davon ausgehen müssen, dass nur ein einheitlicher Berechnungsmodus zu nachvollziehbaren und stringenten Ergebnissen führen kann.
Insoweit ist davon auszugehen, dass § 2312 BGB jedenfalls analog anzuwenden ist, soweit im Zeitpunkt des Erbfalls (nicht zwingend bereits zum Zeitpunkt der Übertragung; vgl. Rdn 4) die Landguteigenschaft besteht. Das Ertragswertprivileg muss in diesen Fällen auch zugunsten des nicht das Landgut übernehmenden Erben anwendbar sein, und zwar unabhängig davon, ob der Landgut-Übernehmer später Erbe wird oder nicht. Dies gilt umso mehr, als im Falle der Inanspruchnahme des (selbst pflichtteilsberechtigten) Übernehmers nach § 2329 BGB zu dessen Gunsten in jedem Fall eine Berufung auf § 2312 BGB möglich wäre.
Rz. 289
Die Anwendbarkeit von § 2312 BGB setzt in jedem Fall voraus, dass das Landgut lediglich auf einen (einzigen) Erwerber übergeht, nicht auf mehrere. Dies ergibt sich zum einen aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ("einer von mehreren Erben") und entspricht zum anderen auch dem Gesetzeszweck, den Erhalt leistungsfähiger Wirtschaftseinheit und die Vermeidung deren Zersplitterung durch Teilungsversteigerung zu gewährleisten.
Rz. 290
Sowohl nach seinem Wortlaut ("einer von mehreren Erben") als auch nach seinem Zweck (wegen Gefährdung der Erhaltung der Wirtschaftseinheit durch Teilungsversteigerung) ist § 2312 BGB aber nicht anwendbar, wenn
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mehrere Pflichtteilsberechtigte das Landgut zu Bruchteilseigentum im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten; |
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das Landgut an eine Erbengemeinschaft ohne Einräumung eines Übernahmerechts fällt; |
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nur ein Miteigentumsbruchteil an einem Landgut zugewendet wird; |
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ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling (mit seinem Ehegatten) in Bruchteilseigentum erwirbt. |
Unproblematisch ist die Anwendung von § 2312 BGB hingegen, wenn – wie gesetzlich vorgesehen – das Landgut an einen einzigen Erwerber übertragen oder vererbt wird, der anschließend einen Miteigentumsanteil an seinen Ehegatten überträgt. Ebenso sollte die Rechtslage sich darstellen, wenn das Landgut durch Übergabe an ein in Gütergemeinschaft verheiratetes Kind in das Gesamtgut übergeht.
Rz. 291
Gehört zum Nachlass dagegen ein gütergemeinschaftlicher Anteil an einem Landgut, ist nach ganz überwiegender Auffassung eine Ertragswertanordnung möglich.
Rz. 292
Praxishinweis
Dies betrifft den in der Praxis immer noch häufigen Fall, dass die in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten sich im Wege des auf dem Land "klassischen Ehe- und Erbvertrages" gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge des Erstversterbenden bestimmen sich daher bezüglich des zum Gesamtgut gehörenden Anteils des Erstversterbenden nach dem Ertragswert, wenn eine entsprechende Anordnung getroffen wurde.
Rz. 293
Auch wenn bei einer Übergabe an ein Kind dessen Ehegatte nach § 1416 Abs. 1 S. 2 BGB kraft Gesetzes Miteigentum erwirbt und damit über das eheliche Gesamtgut am Landgut beteiligt ist, dürfte dies der Fall sein.