Rz. 34
Bei der Behandlung des Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB) ist danach zu unterscheiden, um wessen Pflichtteilsanspruch es geht:
Der Voraus des überlebenden Ehegatten bei gesetzlicher Erbfolge geht den Pflichtteilsansprüchen von Abkömmlingen und Eltern vor (§ 2311 Abs. 1 S. 2 BGB). Dadurch soll der überlebende Ehegatte geschützt werden. Der Pflichtteil wird aus dem Wert des übrigen Nachlasses berechnet, was entweder dadurch erreicht wird, dass die Voraus-Gegenstände nicht als Aktiva erfasst werden (dann auch keine Passivierung der Weitergabeverpflichtung), oder dass ein Ansatz sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passiv-Seite erfolgt. Das kann mitunter zu einer drastischen Minderung der Pflichtteilsbelastung führen. Voraussetzung ist allerdings, dass dem überlebenden Ehegatten der Voraus tatsächlich "gebührt". Das ist nicht der Fall, wenn der Erblasser seinem Ehegatten den Pflichtteil oder auch nur den Voraus wirksam entzogen hat oder wenn wegen einer Erbunwürdigkeit des überlebenden Ehegatten kein Anspruch auf den Voraus besteht oder weil er wirksam verzichtet hat. Wird der Voraus ausgeschlagen, ändert dies jedoch nichts daran, dass er dem Ehegatten "gebührte".
Erbt der überlebende Ehegatte aufgrund gewillkürter Erbfolge, kommt ihm die Vergünstigung des § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB nach h.M. ebenfalls nicht zugute, da § 1930 BGB an die gesetzliche Erbfolge anknüpft. Nach BGH soll aber eine isolierte Ausschlagung der gewillkürten Erbfolge unter gleichzeitiger Annahme der gesetzlichen Erbfolge (§ 1948 Abs. 1 BGB) möglich (bzw. empfehlenswert) sein. Die gesetzliche Erbfolge kommt aber nur zum Zuge, wenn bezüglich der gewillkürten weder eine (ausdrückliche, konkludente oder gesetzliche, § 2069 BGB) Ersatzerbenbestimmung vorliegt und auch keine Anwachsung eintritt. Dabei ist zu beachten, dass etwa bei einem Berliner Testament (§ 2269 BGB) die Schlusserbeneinsetzung auch als Ersatzerbenbestimmung auf den Tod des Erstversterbenden angesehen werden kann. Der Ansatz des BGH ist daher in der Praxis nicht unproblematisch.
Rz. 35
Zu berücksichtigen ist auch, dass nur beim Pflichtteil der Eltern der volle Voraus abgezogen werden kann, bei Abkömmlingen aber nur der zur angemessenen Haushaltsführung benötigte sog. kleine Voraus (§ 1932 Abs. 1 S. 2 BGB).
Rz. 36
Der Pflichtteil des Ehegatten selbst errechnet sich aber immer aus dem Gesamtnachlass ohne Abzug des Voraus.
Rz. 37
Soweit ein Zugewinnausgleichsanspruch tatsächlich gegenüber dem Nachlass geltend gemacht wird, geht die entsprechende Forderung des längerlebenden Ehegatten nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB dem Pflichtteilsanspruch vor, weil sie sozusagen während der Ehe "verdient" wurde. Ungeachtet der Erhöhung der Erb- und Pflichtteilsquote der anderen Pflichtteilsberechtigten gegenüber der erbrechtlichen Lösung (siehe § 3 Rdn 47 ff.), schmälert die Ausgleichsforderung den Wert ihrer Pflichtteilsansprüche u.U. erheblich ("taktische Ausschlagung"). Bei der Berechnung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs sind selbstverständlich auch die Anrechnungspflichten nach § 1380 BGB zu berücksichtigen.
Rz. 38
Die zum Voraus sowie zum Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten dargestellten Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Voraus bzw. den Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Lebenspartners einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft. Der eingetragene Lebenspartner wird pflichtteilsrechtlich wie ein Ehegatte behandelt (§ 6 LPartG bzw. § 6 Abs. 2 S. 4 LPartG a.F. – vor 2005).