Rz. 280
Gehört zum Nachlass ein landwirtschaftliches Anwesen – das Gesetz spricht hier und in § 2049 BGB von einem Landgut –, ist bei der Berechnung des Pflichtteils stets die Anwendbarkeit von § 2312 BGB zu prüfen.
Rz. 281
Insoweit handelt es sich um eine agrarpolitische Schutzvorschrift, die dem Ziel dient, dem Erben die Erhaltung des Betriebs zu ermöglichen. Denn der Erhalt leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in bäuerlichen Familien liegt nach Auffassung des BVerfG im öffentlichen Interesse. Insbesondere soll der Erbe davor geschützt werden, wegen der Befriedigung der Pflichtteilsberechtigten einzelne oder mehrere Grundstücke zu veräußern und dadurch die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit des Betriebs insgesamt zu gefährden. Dabei spielt sein privates Interesse am Erhalt des erworbenen Vermögens gegenüber den erwähnten öffentlichen Interessen nur eine untergeordnete Rolle.
Die Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass die Privilegierung landwirtschaftlichen Vermögens nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoße. Dies gelte allerdings nur, soweit im Einzelfall davon ausgegangen werden könne, dass der Gesetzeszweck (Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe) auf diese Weise auch tatsächlich erreicht werde. Eine ausnahmslose, also an keine weiteren Voraussetzungen gebundene, Anwendung eines unter dem Verkehrswert liegenden Ertragswerts (wie sie früher in § 1356 Abs. 4 BGB im Zusammenhang mit dem Zugewinnausgleich vorgesehen war) hat das Bundesverfassungsgericht für eine "unverhältnismäßige Verschiebung der Opfergrenze" und daher für verfassungswidrig gehalten. Eine Wertprivilegierung, die ausdrücklich dem Zweck dient, überkommene bäuerliche Familienbetriebe dauerhaft zu erhalten, ist dem gegenüber aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 282
§ 2312 BGB ist als lex specialis zu § 2311 BGB zu sehen.
Abweichend vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Wertes ist für Landgüter ein typisierter, i.d.R. weit hinter dem Verkehrswert zurückbleibender Wertansatz anzusetzen. Die Privilegierung soll sich auch auf den Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB erstrecken. Dieser soll auf den Ertragswert bzw. dessen Ermittlung und Mitteilung beschränkt sein.
Rz. 283
Der Ansatz des Ertragswertes i.S.v. § 2312 BGB führt i.d.R. zu einer wesentlich niedrigeren Bewertung. So wurde früher etwa für Bayern ein Verhältnis von Substanz- bzw. Liquidationswert zum Ertragswert von ca. 8 : 1 bis 14 : 1 angegeben, Werte, die in der Praxis mitunter durchaus bestätigt werden. Insbesondere der Umstand, dass der Liquidationswert als Wertuntergrenze für privilegierte Landgüter nicht greift, führt dazu, dass der Ertragswert nach § 2312 BGB meist wesentlich niedriger ist als der Verkehrswert.