Rz. 4
Entsprechend der grundlegenden Wertung sowohl des BVerfG als auch des BGH ist der Pflichtteilsberechtigte wirtschaftlich so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er zu dem seinem Pflichtteil entsprechenden Bruchteil Erbe geworden wäre. Das Pflichtteilsrecht stellt also die Absicherung einer gesetzlich garantierten Mindestteilhabe am Nachlass des Erblassers dar. Dies muss auch auf die Bewertung des pflichtteilsrelevanten Nachlasses durchschlagen.
Rz. 5
Vor diesem Hintergrund sind etwa aus der Rechtsprechung zur Vermögensbewertung im Rahmen des Zugewinnausgleichs abzuleitende Erkenntnisse nur eingeschränkt auf die Bewertung für Zwecke des Pflichtteilsrechts übertragbar. Denn beim Zugewinn geht es um den Ausgleich des Vermögenszuwachses zwischen Anfangs- und Endvermögen (§§ 1374, 1375 BGB) und damit um eine mehr zeitabschnittsweise, zurückliegende Betrachtung mit ganz anderen Bewertungszielen. Ziel der Bewertung im Pflichtteilsrecht ist es, den vollen, wirklichen Wert der einzelnen Nachlassgegenstände und somit des Nachlasses insgesamt zu ermitteln. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass – z.B. bei zu bewertenden Unternehmen – der Tod des Erblassers (der gleichzeitig die Rolle des Unternehmers ausfüllte) Auswirkungen auf die Bewertung haben kann.
Rz. 6
Dass durch den Erblasser angeordnete Wertfestsetzungen bzw. Vorgaben im Rahmen der Nachlassbewertung für Pflichtteils-Zwecke nicht verbindlich sein können, stellt § 2311 Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich klar. Die Regelung erfasst aber über ihren Wortlaut hinaus nicht nur Anordnungen zum Ansatz dem Grunde nach sowie konkrete Wertangaben, sondern auch die Vorgabe bestimmter Bewertungsmethoden, wenn bzw. soweit diese nicht die Ermittlung des wahren Wertes zum Ziel haben. Selbst die Person des Schätzers kann der Erblasser nicht vorschreiben, da sonst eine mittelbare Beeinflussung des Schätzungsergebnisses denkbar wäre. Etwas anderes gilt nur nach Maßgabe des § 2312 BGB bei einem Landgut, bei dem der i.d.R. wesentlich niedrigere Ertragswert der Pflichtteilsberechnung zugrunde gelegt werden kann, oder wenn die Voraussetzungen der Pflichtteilsentziehung gegeben wären (§§ 2333 ff. BGB).
Rz. 7
Die Darlegungs- und Beweislast für den Wert des dem Pflichtteilsanspruch zugrunde liegenden Nachlasses trägt grundsätzlich der Pflichtteilsberechtigte. Hat beispielsweise der Erbe eine Nachlassverbindlichkeit substantiiert dargelegt, muss der Pflichtteilsberechtigte deren Nichtbestehen beweisen. Selbst eine objektiv unrichtige Auskunft des Erben im Vorfeld der Klageerhebung hat keine Beweislastumkehr zur Folge; der Erbe ist demzufolge selbst für eine von ihm geltend gemachte Überschuldung des Nachlasses nicht beweispflichtig.