1. Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung
Rz. 79
Wegen der Vorschrift des § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG ist es möglich, auch den Versicherer gemeinsam mit dem Halter und Fahrer – oder aber auch allein wegen seiner gesamtschuldnerischen Haftung – im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung direkt zu verklagen (§ 32 ZPO, § 20 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG – BGH VersR 1983, 586).
Beachte
Einem Beklagten kann eine Klageschrift auch an seiner Arbeitsstelle zugestellt werden. Hierzu ist allerdings erforderlich, dass er sowie seine Funktion an der Arbeitsstelle konkret und genau bezeichnet werden (BGH zfs 2001, 156).
Rz. 80
Zwischen Schädiger und Versicherer besteht nur einfache und keine notwendige Streitgenossenschaft (BGH NJW 1982, 996, 999 unter Bezugnahme auf BGH NJW 1974, 224).
2. Allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten
Rz. 81
Andererseits ist es möglich, isolierte Klagen gegen Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer nach §§ 12 ff. ZPO an den jeweiligen allgemeinen Gerichtsständen zu erheben. Hiervon ist jedoch aus dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie dringend abzuraten.
3. Gerichtsstand des Kfz-Haftpflichtversicherers
Rz. 82
Gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer kann gemäß §§ 17, 21 ZPO eine Klage sowohl beim (allgemeinen) Gerichtsstand des Hauptsitzes als auch am (besonderen) Gerichtsstand der Zweigniederlassung der Versicherungsgesellschaft erhoben werden, welche die Schadensbearbeitung übernommen hat.
Rz. 83
Kfz-Haftpflichtversicherer, Fahrer und Halter können nach den vorgenannten Vorschriften auch an verschiedenen Gerichtsständen verklagt werden. Wird dann aber in einem dieser Verfahren ein klageabweisendes Urteil rechtskräftig, so bindet es nach § 124 Abs. 1 VVG die anderen noch mit der Sache befassten Gerichte.
Rz. 84
Eine Ausnahme hiervon hat der BGH in einem Fall angenommen, in dem sich ein Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer bei einer gegen ihn gerichteten Direktklage darauf berufen wollte, dass die Klage gegen den Schädiger (rechtsirrig wegen Verjährung) abgewiesen worden war. In diesem Fall hat es der BGH als rechtsmissbräuchlich seitens des Haftpflichtversicherers angesehen, sich auf die materiell unrichtige Klageabweisung gegen den Versicherungsnehmer zu berufen (BGH VersR 1979, 841).
Beachte
Bei einer Klage am allgemeinen Gerichtsstand des KH-Versicherers wird zu überlegen sein, ob dem Versicherer der Vorteil des "Heimspiels" zugutekommt.
4. Gerichtsstand bei Ausländerbeteiligung und gegen die Verkehrsopferhilfe
Rz. 85
Passivlegitimiert ist nur das "Deutsche Büro Grüne Karte e.V." bei Ausländerschäden im Inland oder aber die "Verkehrsopferhilfe e.V." sowohl bei Schadensfällen nach § 12 Abs. 1 PflVG oder bei Klagen gegen die Entschädigungsstelle nach §§ 12a, 13a PflVG.
Beachte
Klagen gegen diese Institutionen können nur gegen diese – niemals gegen die von diesen Institutionen mit Verhandlungen beauftragten Versicherer oder Schadenregulierer – erhoben werden.
Rz. 86
Auch das "Deutsche Büro Grüne Karte e.V." oder die "Verkehrsopferhilfe e.V." sollten zweckmäßigerweise nicht an deren Sitz in Berlin, sondern ebenfalls am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) verklagt werden.
5. Inländischer Gerichtsstand bei EU-Auslandsunfällen
Rz. 87
Eine Besonderheit gilt bei einem Unfall im EU-Ausland. Der bei einem Unfall im EU-Ausland Geschädigte hat gem. Art. 11 EuGVVO gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer, der seinen Geschäftssitz in der EU hat, einen Direktanspruch.
Rz. 88
Nach inzwischen durch den EuGH (zfs 2008, 139 = VersR 2008, 111 = NZV 2008, 133 = DAR 2008, 17) bestätigter Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte gem. Art. 9 Abs. 1b EuGVVO den ausländischen Versicherer unmittelbar an seinem inländischen Wohnort verklagen (BGH zfs 2007, 143 = VersR 2006, 1677 = NZV 2007, 37 = DAR 2007, 19; BGH DAR 2008, 466). Dies gilt nicht nur zugunsten eines Verbrauchers als Geschädigten, sondern auch zugunsten einer juristischen Person (OLG Celle v. 27.2.2008 – 14 U 211/06 – OLGR Celle 2008, 377). Ebenso gilt der Gerichtsstand auch für den abweichenden Wohnort lediglich "mittelbar geschädigter" Angehöriger im Falle der Tötung durch einen Verkehrsunfall, z.B. bezogen auf ein Angehörigenschmerzensgeld (vgl. EuGH zfs 2016, 315). Diese internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts gilt jedoch lediglich hinsichtlich des Direktanspruchs gegen den Versicherer, nicht jedoch für eine Klage gegen Halter und Fahrer eines Kfz (BGH v. 24.2.2015 – VI ZR 279/14 – zfs 2015, 689 = NZV 2015, 286 = DAR 2015, 324).
Gleiches gilt bei einem Unfall in der Schweiz. Denn nach den Art. 9 und 11 des Luganer Übereinkommens vom 30.10.2007 (LugÜ 2007) kann der Geschädigte einen nach dem anwendbaren nationalen Recht bestehenden Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer mit Sitz in einem ausländischen Staat im Geltungsbereich des LugÜ 2007 beim Gericht seines Wohnsitzes geltend machen (BGH v. 23.10.2012 – VI ZR 260/11 – VersR 2013, 73).
6. Gerichtsstand des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers
Rz. 89
Für Klagen aus einem Versicherungsvertrag (Klage gegen den eigenen Versicherer oder Klage des eigenen Versicherers) ist darüber hinaus § 215 VVG zu beachten.
Rz. 90
Gem. § 215 Abs. 1 S. 1 VVG können Klagen des Versicherungsnehmers auch vor dem Gericht erhoben werden, in dessen Zuständigkeitsbereich der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der K...