Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 45
§ 117 Abs. 3 S. 1 VVG schränkt den Versicherungsschutz bei einer Störung des Versicherungsverhältnisses ein ("krankes Versicherungsverhältnis"). Auch haftet der Versicherer gegenüber dem geschädigten Dritten bei Verpflichtung anderer Schadensversicherer oder eines SVT nach näherer Maßgabe des § 117 Abs. 3 S. 2 VVG nur subsidiär.
Rz. 46
Der Versicherer haftet dem geschädigten Dritten, der unmittelbar gegen ihn vorgeht, nach Maßgabe des § 117 Abs. 3 S. 1 VVG eingeschränkt, und zwar nur im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme und im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr. Eine Risikoausschlussklausel wirkt daher auch gegenüber dem Dritten, denn der Versicherer haftet nur im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme und der von ihm übernommenen Gefahr (§ 117 Abs. 3 S. 1 VVG). Soweit die Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber verweigert werden kann, weil ein Umstand vorliegt, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, wirkt dies dem Dritten gegenüber erst mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Der Lauf der Frist beginnt nicht vor Beendigung des Versicherungsverhältnisses (§ 117 Abs. 2 S. 1 ff. VVG). Die Anzeige ist an die Kraftfahrzeugzulassungsstelle zu erstatten.
Rz. 47
Die Beschränkung auf die Mindestversicherungssumme gilt auch bei vertraglicher Vereinbarung einer höheren Deckung. Anders ausgedrückt: Nach § 117 Abs. 3 S. 1 VVG haftet der Versicherer nicht, soweit die Mindestdeckung überschritten wird. Weder braucht er sich insoweit auf Leistungsfreiheit zu berufen noch bedarf es einer Anzeige nach Abs. 2.
Rz. 48
Die örtlichen, sachlichen und zeitlichen Grenzen der Gefahrübernahme, die das übernommene Risiko kennzeichnen, gelten weiter. Sämtliche zulässig vereinbarten Ausschlüsse gelten gegenüber dem Dritten. Allerdings greift die Beschränkung des Leistungsumfangs nur, soweit Abs. 3 S. 1 tatbestandlich reicht. Daher führt die Verletzung von Obliegenheiten nicht zur Leistungsbeschränkung.
Rz. 49
Nach § 117 Abs. 3 S. 2 VVG entfällt die Haftung des Versicherers gegenüber dem Dritten, wenn dieser von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger Schadensersatz erhalten kann. Der Versicherer haftet also nur subsidiär.
Rz. 50
Schadensversicherer im Sinne des § 117 Abs. 3 S. 2 VVG sind insbesondere der Haftpflicht- und der Kaskoversicherer, aber auch der Privatkrankenversicherer und der private Unfallversicherer, soweit er einen Schaden zu ersetzen hat (z.B. Heilkosten, Krankenhauskosten).
Rz. 51
Haftung nach § 117 VVG besteht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn des verletzten Beamten, auf den Schadensersatzansprüche übergegangen sind.
Rz. 52
Im Übrigen sind keine Schadensversicherer der Unfall- und Lebensversicherer und der Rechtsschutzversicherer. Auch der Entgeltfortzahlung leistende Arbeitgeber (§ 6 EFZG) ist kein anderer "Schadensversicherer". Bestimmte summenmäßige Leistungen aus einer Unfallversicherung und das Krankenhaustagegeld braucht sich der Geschädigte nicht anrechnen lassen. Als Grundregel ist anzunehmen, dass die bloße Summenversicherung, soweit diese nicht an einem Schaden orientiert ist, nicht unter die Vorschrift fällt.
Rz. 53
Unerheblich ist es, ob der Geschädigte selbst den Versicherungsvertrag abgeschlossen hat oder ein anderer; es genügt, dass der Geschädigte über den Schadensersatzanspruch gegen einen anderen Schädiger die Leistungen eines Schadensversicherers erhält.
Rz. 54
Der Begriff des Sozialversicherungsträgers umfasst die Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und der Rentenversicherung. Ebenso die Bundesagentur für Arbeit, soweit sie nach dem SGB III Arbeitslosengeld oder Aufwendungen für Reha-Maßnahmen erbringt. Dagegen sind Sozialhilfe und Zahlung von Arbeitslosengeld II Ausfluss von staatlicher Fürsorge, die nicht i.V.m. einem "Versicherungsverhältnis" stehen. Ebenso wenig kann in diesem Zusammenhang der Forderungsübergang nach § 119 SGB X (siehe dazu § 36 Rdn 446 ff.) diskutiert werden. Durch diese Vorschrift wird dem Dritten kein Schaden ersetzt, sondern ein bestehender Schaden "eingezogen".
Rz. 55
Es kommt nicht darauf an, ob der voll zahlungspflichtige Haftpflichtversicherer oder der SVT tatsächlich in Anspruch genommen wird. Zeigt der Geschädigte den Schaden seinem eigenen Versicherer nicht rechtzeitig an und verwirkt er hierdurch den Versicherungsschutz, wird damit der "kranke" Versicherer des Schädigers nicht eintrittspflichtig. Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte seinen eigenen Versicherer bewusst nicht in Anspruch nimmt, um sich nicht der Gefahr einer Prämienerhöhung auszusetzen.
Rz. 56
Die Schadensversicherer und SVT, deren Leistungen die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers mit dem defekten Versicherungsverhältnis ausschließen, gehören nicht zum begünstigten Personenkreis...