Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 63
Der Haftpflichtversicherer ist durch verschiedene Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten des Dritten vor vermeidbaren Mehrleistungen geschützt (§ 119 VVG). Dem geschädigten Dritten, der einen Direktanspruch erhebt, obliegt die rechtzeitige Anzeige in Textform (Abs. 1 Halbs. 1). Er hat die im Einzelfall erforderlichen Auskünfte zu erteilen, nach Billigkeit ggf. auch die Belege vorzulegen (vgl. Abs. 3).
Rz. 64
Wegen der deliktsähnlichen Natur des Direktanspruchs (Rdn 24) sind die als "Obliegenheiten" bezeichneten Pflichten dogmatisch allerdings im Rahmen des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 2 BGB) und nicht als versicherungsvertragliche Obliegenheiten anzusehen. Zum Teil überschneiden sich die Obliegenheiten mit der materiell-rechtlichen Schadensminderungspflicht.
Rz. 65
Der Dritte hat dem Versicherer ein Schadensereignis, aus dem er einen Anspruch gegen ihn herleiten will, innerhalb von zwei Wochen nach dem Schadensereignis schriftlich ("in Textform") anzuzeigen. Maßgebend ist die Absendung der Anzeige. Verletzt der Dritte diese Pflicht schuldhaft, so beschränkt sich die Haftung des Versicherers auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Anzeigepflicht zu leisten gehabt hätte (§ 120 VVG).
Rz. 66
Ein gerichtliches Vorgehen gegen den Versicherungsnehmer hat der Dritte dem Versicherer unverzüglich in Textform anzuzeigen. Die Erhebung von Ansprüchen gegen den Versicherungsnehmer selbst ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung gegenüber dem Versicherer nicht anzeigepflichtig. Hier wird durch die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers nach den AKB einer vermeidbaren Mehrbelastung des Versicherers vorgebeugt. Schließlich ist die Klage des Dritten gegen den Versicherer nicht anzeigepflichtig; hier ist der Versicherer ausreichend durch die materiell-rechtlichen und prozessrechtlichen Vorschriften geschützt.
Rz. 67
§ 119 Abs. 3 VVG begründet die Verpflichtung des Dritten, dem Versicherer auf dessen Verlangen Auskunft zu geben, soweit sie zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Zur Vorlegung von Belegen ist der Dritte nur insoweit verpflichtet, als ihm die Beschaffung billigerweise zugemutet werden kann. Danach gehört dazu einmal die Vorlegung von Rechnungen über einen Sachschaden, Quittungen über geleistete Zahlungen, aber auch die Vorlegung von ärztlichen Attesten und Ähnliches. Dagegen wird man nicht annehmen können, dass der Dritte verpflichtet ist, sich auf Verlangen des Versicherers untersuchen zu lassen. Das ist aber nur von theoretischer Bedeutung; denn nach materiellem Schadensersatzrecht ist der Dritte für die Höhe seines Anspruchs beweispflichtig.
Rz. 68
Für die Verletzung der Aufklärungspflicht gilt die gleiche Folge wie für die Verletzung der Anzeigepflicht; der Dritte muss hier aber vorher ausdrücklich und schriftlich auf die Folge hingewiesen worden sein (§ 120 VVG).