Prof. Dr. Günther Schneider
I. Rechtslage für Versicherungsfälle aus Altverträgen
Rz. 69
Für Versicherungsfälle aus Altverträgen, die bis zum Inkrafttreten der VVG-Reform entstanden sind, ist nach näherer Maßgabe des Art. 1 EGVVG das VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
Rz. 70
§ 3 Nr. 7 S. 3 PflVG a.F. in Verbindung mit § 158e Abs. 2 VVG schützt den Versicherer dagegen, dass der Versicherungsnehmer ohne seine Kenntnis mit dem geschädigten Dritten eine vergleichsweise Regelung erzielt oder dessen Ansprüche anerkennt. Wegen des ausdrücklichen Verweises in § 158e Abs. 2 VVG a.F. findet auch das Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot nach § 154 Abs. 2 VVG a.F. Anwendung. Mithin begründete die letztgenannte Vorschrift eine Obliegenheit, nach der dem VN die Anerkennung des Haftpflichtanspruchs ohne Einwilligung des Versicherers grundsätzlich versagt war. Der Versicherer braucht als Gesamtschuldner (§ 3 Nr. 2 PflVG a.F.) nicht den Betrag zu zahlen, auf den der Vergleich oder das Anerkenntnis lautet, sondern nur denjenigen, der der Sach- und Rechtslage entspricht.
Rz. 71
Auch wenn der Versicherer im Innenverhältnis an den Vergleich usw. gebunden ist, soll das für den Direktanspruch ohne Bedeutung sein. Dies gilt auch dann, wenn Anerkenntnisse abgegeben werden, die zu einer Unterbrechung der Verjährung des Haftpflichtanspruchs führen. In diesem Fall kann mithin der Versicherer in dem Prozess des geschädigten Dritten gegen ihn die Einrede der Verjährung des Haftpflichtanspruches ebenso erheben, als ob ein Anerkenntnis nicht abgegeben worden wäre.
Rz. 72
Ein Anerkenntnis im Sinne des § 158e Abs. 2 VVG a.F. liegt auch darin, dass der Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers den Anspruch zur Insolvenztabelle anerkennt und damit einen rechtskräftigen Titel gegenüber dem Versicherungsnehmer schafft.
II. Aktuelle Rechtslage
Rz. 73
Seit dem Inkrafttreten der VVG-Reform bestimmt § 105 VVG, dass eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt, unwirksam ist. Das nach § 154 Abs. 2 VVG a.F. bisherige Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot, das im Gesetzgebungsverfahren "auch unter Berücksichtigung der Interessen des Versicherers" als "unangemessen" bezeichnet wurde, ist damit entfallen.
Rz. 74
Wie dargelegt ist nach § 105 VVG – entgegen der früheren Rechtslage – eine Klausel unwirksam, nach welcher der Versicherer bei Anerkenntnis des Anspruchs des Geschädigten oder Befriedigung seitens des Versicherungsnehmers leistungsfrei ist. Es ist mithin Sache des Versicherungsnehmer, den gegen ihn erhobenen Anspruch gegenüber dem Dritten ganz oder teilweise anzuerkennen. Anders als nach der bisherigen Rechtslage ist für die Eintrittspflicht bzw. Leistungsfreiheit des Versicherers nicht mehr das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung wegen Abgabe eines unerlaubten Anerkenntnisses maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob das Anerkenntnis gegenüber dem Versicherer bindende Wirkung hat.