I. Vertragsmäßige Verfügungen
Rz. 52
Sind in einem Erbvertrag von beiden (oder mehr) Erblassern vertragsmäßige Verfügungen getroffen, so hat die Nichtigkeit einer dieser Verfügungen die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags zur Folge. Ist in einem solchen Vertrag der Rücktritt vorbehalten, so wird durch den Rücktritt eines der Vertragschließenden der ganze Vertrag aufgehoben, § 2298 BGB.
Rz. 53
Dieser Regelung liegt die Überlegung zu Grunde, dass in der Aufnahme von Verfügungen mit vertragsmäßiger Bindungswirkung in einen Vertrag der Wille der Vertragschließenden zum Ausdruck kommt, dass sie dann auch alle miteinander stehen und fallen sollen. Da nur die in § 2278 Abs. 2 BGB genannten Anordnungen vertraglich sein können, gilt diese Rechtsfolge auch nur für die erbvertraglichen Vereinbarungen; dies sind die Erbeinsetzung (nicht auch das Negativum der Enterbung), das Vermächtnis, die Auflage und die erbrechtliche Rechtswahl. Nicht betroffen sind einseitige Anordnungen, die ein Erbvertrag gem. § 2299 BGB auch enthalten kann. Die rechtlichen Wirkungen im Falle einer Nichtigkeit richten sich in Bezug auf die einseitigen Anordnungen nach § 2085 BGB.
II. Nichtigkeit einer vertragsmäßigen Verfügung
Rz. 54
Beim zwei- oder mehrseitigen Erbvertrag hat die Nichtigkeit einer Verfügung die Unwirksamkeit aller anderen vertragsmäßigen Verfügung zur Folge. Diese Folge hat jede anfängliche Nichtigkeit einer dieser Verfügungen, also mangelnde Geschäftsfähigkeit beim Abschluss, Verletzung der Formvorschriften, inhaltlicher Widerspruch zu einer bindenden früheren Verfügung (§ 2289 BGB), Verletzung gesetzlicher Verbote i.S.d. § 134 BGB (bspw. § 14 HeimG bzw. der landesrechtlichen Nachfolgevorschriften) oder Verstöße gegen § 138 BGB.
Rz. 55
Dieselben Rechtsfolgen treten bei nachträglich eintretender Nichtigkeit infolge Anfechtung ein (§§ 2281, 2078, 2079 BGB). Auch die Scheidung der Ehe führt über §§ 2077, 2279 BGB zur Unwirksamkeit.
Wie auch beim wechselbezüglichen Testament reicht es für das Unwirksamwerden nach § 2298 Abs. 1 BGB nicht aus, wenn eine vertragsmäßige Verfügung nicht unwirksam sondern lediglich nachträglich gegenstandslos geworden ist. Nicht ausgeschlossen ist, dass in derartigen Fällen eine Bedingung vorgesehen oder qua Auslegung anzunehmen ist.
III. Rücktritt vom Erbvertrag
Rz. 56
Das Erbvertragsrecht kennt drei Sachverhalte, die einen Rücktritt ermöglichen:
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der vereinbarte Rücktrittsvorbehalt gem. § 2293 BGB, |
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das gesetzliche Rücktrittsrecht bei Vorliegen eines Pflichtteilsentziehungsgrundes gem. § 2294 BGB, |
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das Rücktrittsrecht beim entgeltlichen Erbvertrag, wenn die zugrunde liegende Leistungsverpflichtung aufgehoben wird, § 2295 BGB. |
Die Rechtsfolge des Unwirksamwerdens des ganzen Erbvertrags tritt nur beim vereinbarten Rücktrittsrecht ein, nicht aber in den beiden anderen Rücktrittsfällen. In den Fällen der §§ 2294, 2295 BGB ist im Rahmen des § 2085 BGB zu klären, inwieweit erbvertragliche Regelungen weiterhin Bestand haben. In den zuletzt genannten Rücktrittsfällen wird der gem. § 2298 Abs. 3 BGB beachtliche Erblasserwille dahin gehen, die Wirkungen des Rücktritts gerade nicht auf die übrigen vertragsmäßigen Verfügungen zu erstrecken.