1. Vertretung des Widerrufsempfängers
Rz. 21
Ist der andere, nicht widerrufende Ehegatte geschäftsunfähig, so ist zu klären, ob der Zugang der Widerrufserklärung auch gegenüber einem gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter erfolgen kann. Gehört zum Aufgabenkreis eines für ihn bestellten Betreuers die Vermögenssorge, so kann der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments auch gegenüber dem Betreuer erklärt werden. Die ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass ein Widerruf auch im Falle der Geschäftsunfähigkeit des anderen Ehegatten möglich ist, dann aber gem. § 131 BGB dem gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen zugehen muss, um wirksam zu werden.
Rz. 22
Ist der widerrufende Ehegatte zugleich zum Betreuer des anderen Ehegatten bestellt, dürfte wohl ein Vertretungsausschluss bestehen, da die Empfangnahme der Widerrufserklärung nicht als lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen werden kann, so dass für die Empfangnahme des Widerrufs ein Ergänzungsbetreuer nach § 1899 Abs. 4 BGB bestellt werden muss.
Zum Erfordernis einer Betreuerbestellung auch das AG München:
Zitat
"… Die Betroffene ist geschäfts- und testierunfähig, und damit auch nicht in der Lage, Willenserklärungen zur Kenntnis zu nehmen. Ohne Bestellung eines Betreuers ist ein Widerruf des gemeinschaftlichen Testamentes nicht möglich, da angesichts fehlender Geschäftsfähigkeit die Willenserklärung der Betroffenen gegenüber nicht wirksam erfolgen kann. Die Geschäftsunfähigkeit nimmt nicht nur die Fähigkeit, Erklärungen wirksam abzugeben, sondern auch die Fähigkeit, Erklärungen mit Wirkung für und gegen sich zu empfangen. Ohne Betreuung scheitert der Zugang des Testamentswiderrufs..."
Rz. 23
Eine Betreuerbestellung mit dem Wirkungskreis "Postvollmacht" reicht allerdings nicht aus für die Entgegennahme des Widerrufs.
Das Landgericht Leipzig lässt es genügen, wenn der Widerruf dem Generalbevollmächtigten des anderen Ehegatten zugeht:
Zitat
"Der notariell beurkundete Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament gegenüber einem geschäftsunfähigen Ehepartner wird durch die Aushändigung der Widerrufserklärung an einen von diesem mit umfassender und uneingeschränkter General- bzw. Vorsorgevollmacht bestellten rechtsgeschäftlichen Vertreter wirksam. Die Bestellung eines Betreuers als gesetzlicher Vertreter ist nicht erforderlich. Das Fehlen der Bezeichnung als Vorsorgevollmacht ist unerheblich, wenn es sich sachlich um eine umfassende Generalvollmacht oder eine die Entgegennahme einer solchen Widerrufserklärung erfassende Einzel- oder Spezialvollmacht handelt."
Allerdings kann es einen Interessenkonflikt zwischen Bevollmächtigtem und Betroffenem geben. In einem solchen Fall ist ein Kontrollbetreuer zu bestellen.
2. Gesetzliche Erbfolge auf den Tod des testierunfähigen Testators
Rz. 24
Weil mit dem Wirksamwerden des Widerrufs von Seiten des testierfähigen Ehegatten die wechselbezüglichen Verfügungen des Testierunfähigen gem. § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam werden, tritt auf den Tod des testierunfähigen Ehegatten die gesetzliche Erbfolge ein. Damit kann der widerrufende Ehegatte steuernd in sein eigenes Erbrecht am anderen Ehegatten eingreifen, wenn jener der Erstversterbende sein sollte.
Wird mit dem Widerruf auch eine gem. § 2270 Abs. 3 BGB i.V.m. Art. 22 EuErbVO getroffene erbrechtliche Rechtswahl unwirksam, so wird auch diese gem. § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam.