1. Die Rechtsposition des Schlusserben vor dem Tod des Erststerbenden
Rz. 41
Bei einem Berliner Testament, wonach sich Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und eine verwandte Person zum Erben des Überlebenden eingesetzt haben, kommt vor dem Tod des Erststerbenden dem eingesetzten Schlusserben keine gesicherte Rechtsposition zu, die materiell gesichert werden könnte oder prozessual durchsetzbar wäre. Deshalb ist eine Feststellungsklage eines Schlusserben über seine Rechtsposition nicht zulässig.
Rz. 42
Die Rechtsposition des Schlusserben ist zu diesem Zeitpunkt keineswegs gesichert, weil zum einen die beiden Testatoren jederzeit die Schlusserbeinsetzung widerrufen könnten, zum anderen aber auch jeder einzelne der Testatoren ohne Angabe von Gründen das gemeinschaftliche wechselbezügliche Testament gem. § 2271 Abs. 1 BGB widerrufen könnte mit der Folge, dass dann die Schlusserbeinsetzung als wechselbezügliche Anordnung gem. § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam würde.
2. Die Rechtsposition des Schlusserben nach dem Tod des Erststerbenden
Rz. 43
Wie die Rechtsposition des Schlusserben bei wechselbezüglichen Verfügungen ab dem Tod des erststerbenden Ehegatten zu qualifizieren ist, ist streitig. Der überlebende Ehegatte ist gem. §§ 2270 Abs. 2, 2271 Abs. 2 BGB an seine Verfügung gebunden. In der Literatur wird die Rechtsstellung des Schlusserben teils als Anwartschaft – nicht Anwartschaftsrecht – bezeichnet, teils als rechtlich begründete Aussicht.
Rz. 44
Ein Vertrag über die Rechtsposition des Schlusserben wäre gem. § 311b Abs. 4 BGB nichtig. Allerdings lässt der BGH eine Feststellungsklage des Schlusserben bereits zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten zu, falls der Überlebende das Testament anficht. Dies hat der BGH im Falle der Anfechtung einer Vermächtnisanordnung entschieden.
Hinweis
Eine Feststellungsklage, dass eine Vermächtnisanordnung in einem gemeinschaftlichen Testament durch Anfechtung nicht unwirksam geworden ist, ist zulässig.
Rz. 45
Gründe für die Unwirksamkeit könnten bspw. sein, dass ein Anfechtungsgrund nicht vorliegt, dass der Anfechtende nicht geschäftsfähig war, dass Formalien, etwa eine Frist, nicht eingehalten wurde.
Trotz Bindung des Überlebenden gem. § 2271 Abs. 2 BGB an die Schlusserbeinsetzung, hat der Schlusserbe kein Anwartschaftsrecht, weil auch der gebundene Erblasser gem. § 2286 BGB frei unter Lebenden über den gesamten Nachlass (Eigenvermögen und Nachlass des Erstverstorbenen) verfügen kann.
3. Das Feststellungsinteresse des Schlusserben nach dem Tod des Erststerbenden
Rz. 46
Ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO des Schlusserben kann jedoch bejaht werden, wenn unklar ist,
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ob das gemeinschaftliche Testament wirksam und er Schlusserbe ist |
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ob eine vom überlebenden Ehegatten erklärte Anfechtung wirksam ist |
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ob ein vom überlebenden Ehegatten erklärter Widerruf unwirksam oder |
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ob das einseitig errichtete Testament des überlebenden Ehegatten wirksam ist (evtl. Unwirksamkeit analog § 2289 BGB). |
Rz. 47
Das für die Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Rechtsverhältnis wird von der h.M. in der nach dem ersten Erbfall gem. § 2271 Abs. 2 BGB eintretenden Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen zugunsten des eingesetzten Schlusserben angenommen. Und so muss auch der Klageantrag formuliert werden.
4. Grundsatz: Keine prozessualen Sicherungsmittel des Schlusserben
Rz. 48
Weil der Schlusserbe vor dem Tod des überlebenden Ehegatten kein Anwartschaftsrecht hat, kann er die Erberwartung aus dem bindend gewordenen Testament auch nicht durch Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes, bspw. durch Arrest oder einstweilige Verfügung (§§ 916 Abs. 2, 936 ZPO) sichern lassen.
Rz. 49
Eine mittelbare Sicherung des Schlusserben ist jedoch möglich: Zum einen können die Eheleute hinsichtlich eines oder einzelner Vermögensgegenstände lebzeitige Verfügungsunterlassungsverträge abschließen. Diese Verpflichtungen können durch bei Grundstücken vormerkungsgesicherte Übereignungsverpflichtungen für den Fall vertrags- oder verpflichtungswidriger Verfügungen mittelbar gesichert werden. Zum anderen kann der betreffende Vermögensgegenstand vom Erststerbenden direkt dem Endbedachten zu Lasten des Überlebenden vermacht werden, aufschiebend bedingt durch einen Verstoß gegen die ebenfalls vermachte Unterlassungsverpflichtung, wobei dann bei Grundstücken wiederum, sofern ein entsprechender Anspruch auf vorläufige Sicherung mitvermacht ist, der bedingte Eigentumsübertragungsanspruch nach dem ersten Erbfall durch Eintragung einer Vormerkung gesichert werden kann. Deshalb sollte in der Rechtsgestaltung die Möglichkeit erwogen we...