Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 21
Die Einordnung von Wohngeldforderungen aus Beschlüssen, die nach dem Erbfall gefasst wurden, wurden hingegen sehr kontrovers eingeordnet.
Da die Schulden auf der Eigentümerstellung des Erben an der Eigentumswohnung beruhen, die dieser vom Erblasser geerbt hat, und die im Rahmen der Verwaltung eines Nachlassgegenstandes entstehen, könnte man annehmen, die Schulden rühren (zumindest mittelbar) vom Erblasser her und seien damit Nachlassverbindlichkeiten mit voller Haftungsbeschränkungsmöglichkeit nach außen. Die Erben haften aber immerhin ja mit der Eigentumswohnung und den daraus erzielten Mieten, im Falle der Eigennutzung oder pflichtwidrigen Nichtnutzung haften sie auf Wertersatz.
Rz. 22
Dass die Verwaltungsschulden aber von einer Willensentscheidung der Erben, nämlich der Beschlussfassung auf der Wohnungseigentümerversammlung herrühren, spricht dafür, dass es sich zumindest auch um Eigenverbindlichkeiten handelt. Soweit der Beschluss einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, handelt es sich um eine Nachlasserbenschuld. In diesem Fall könnte der Erbe nach § 257 BGB Freistellung oder nach §§ 1978 Abs. 3, 670 BGB (ggf. i.V.m. § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO) Rückerstattung des Wohngeldes aus dem Nachlass verlangen. In jedem Fall könnte der Erbe die Haftung nicht nach außen auf den Nachlass beschränken, wenn er seine Haftung nicht im Beschluss auf den Nachlass begrenzt.
Rz. 23
Der BGH hatte inzwischen Gelegenheit, zu dem Problem Stellung zu nehmen:
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Zunächst war im Jahre 2012 ein Fall an den BGH herangetragen worden, in dem die Erblasserin Testamentsvollstreckung angeordnet und dem Testamentsvollstrecker aufgegeben hatte, mit dem Geld aus dem Nachlass für den Erben eine Eigentumswohnung zu kaufen. Diese sollte sodann seiner Dauertestamentsvollstreckung unterliegen. Der BGH entschied, dass es sich bei den diesbezüglichen Wohngeldschulden um Eigenverbindlichkeiten handelt, da sie vom Testamentsvollstrecker im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung begründet wurden. Solange die Testamentsvollstreckung andauert, handele es sich aber auch um Nachlassschulden (Nachlasserbenschulden). |
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Im Jahre 2013 entschied der BGH allgemein, dass Wohngeldschulden, die nach dem Erbfall beschlossen und fällig werden, generell zumindest auch Eigenverbindlichkeiten seien, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann, was schon dann der Fall sei, wenn er die Erbschaft angenommen hat. Zwar würden diese in der Regel ohne Zutun des Erben aufgrund von Mehrheitsbeschlüssen der Wohnungseigentümer anfallen. Ihnen stünden aber Leistungen gegen, die ohne die Besonderheiten der WEG nur durch den Abschluss von Verträgen zu erhalten seien, die Eigenverbindlichkeiten begründen. Und ab dem Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft beruhe das Behalten der Wohnung auf seinem Willensentscheid. |
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2018 entschied der BGH in Abgrenzung zu seinem Urteil aus 2013: Fällt eine Eigentumswohnung in den Nachlass und ist der Fiskus zum gesetzlichen Alleinerben berufen, sind die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel Nachlassverbindlichkeiten. Eigenverbindlichkeiten sind sie nur, wenn eindeutige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Fiskus die Wohnung für eigene Zwecke nutzen möchte. |
Rz. 24
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erbe z.B. aufgrund einer Belastung der Wohnung mit einem Wohnrecht für einen Dritten keine Wahlmöglichkeit im Hinblick auf das Behalten, Verwerten oder Nutzen der Wohnung hat; für diesen Ausnahmefall trägt der Erbe die Beweislast. Spätestens ab dem Moment, wo er die Beschlüsse der Eigentümerversammlung mitträgt, liegt aber auch in diesem Fall eine Eigenverbindlichkeit vor.
Hinweis
Will sich der Erbe der Haftung für Wohngeldschulden entziehen, so muss er die Wohnung veräußern oder gemäß § 175 ZVG die Zwangsversteigerung beantragen.
Offen bleibt, welche Kriterien Wohngeldschulden zu reinen Eigenverbindlichkeiten oder zu Nachlasserbenschulden machen.