Dr. iur. Stephanie Herzog
A. Haftungsbeschränkung nur für Nachlassverbindlichkeiten
Rz. 1
Eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ist nur für Nachlassverbindlichkeiten, nicht hingegen auch für Eigenverbindlichkeiten möglich. Was auf den ersten Blick selbstverständlich ist, birgt im Einzelfall große Abgrenzungsprobleme. Hinzu kommt, dass es "Mischformen" gibt, die sog. Nachlasserbenschulden, die sowohl Nachlass- als auch Eigenverbindlichkeiten darstellen.
B. Unterscheidung der Verbindlichkeiten
Rz. 2
Man unterscheidet: |
Zumindest auch Nachlassverbindlichkeiten |
Reine Nachlassverbindlichkeiten |
Erblasserschulden (Nachlassverbindlichkeiten) |
Haftungsbeschränkung auf den Nachlass möglich |
Erbfallschulden (inklusive bestimmter Nachlasskostenschulden und Nachlassverwaltungsschulden) |
Zumindest auch Eigenverbindlichkeiten |
Nachlasserbenschulden (Nachlasserbenverbindlichkeiten) |
Keine Haftungsbeschränkung nach außen, aber Regressmöglichkeit |
Reine Eigenverbindlichkeiten |
Eigenverbindlichkeiten (Eigenschulden) |
Keine Haftungsbeschränkung, keine Regressmöglichkeit; Haftung mit dem Eigenvermögen |
Rz. 3
Eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass kommt im Außenverhältnis zu den Gläubigern nur hinsichtlich reiner Nachlassverbindlichkeiten in Betracht. Für Nachlasserbenschulden und Eigenverbindlichkeiten haftet der Erbe im Außenverhältnis (auch) mit seinem eigenen Vermögen (ggf. mit Regressmöglichkeit beim Nachlass im Innenverhältnis).
Beispiel: Auskunft
Verlangt der Pflichtteilsberechtigte Auskunft nach § 2314 BGB vom Erben, so ist die persönliche Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB durch den Erben Eigenverbindlichkeit, die er nicht verweigern kann, während es sich bei der notariellen Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB und dem Anspruch auf Wertermittlung durch einen Sachverständigen nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB um eine reine Nachlassverbindlichkeit handelt, die nur aus dem Nachlass zu zahlen ist, § 2314 Abs. 2 BGB.
Rz. 4
Für Nachlasserbenschulden können die Gläubiger auf den Nachlass oder auf das Eigenvermögen des Erben Zugriff nehmen; eine Beschränkung der Haftung auf den Nachlass nach außen ist nicht möglich. Im Falle von Nachlasserbenschulden kann sich der Erbe beim Nachlass regressieren, wenn die Voraussetzungen der §§ 1959 Abs. 2 bzw. 1978 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ (683,) 670 BGB gegeben sind. Eine Beschränkungsmöglichkeit dergestalt, dass den Gläubigern nur die Haftungsmasse Nachlass zur Verfügung steht, ist nur durch individualvertragliche Vereinbarung mit dem jeweiligen Vertragspartner möglich.
Für Eigenverbindlichkeiten scheidet sowohl eine Haftungsbeschränkung als auch ein Regress aus.
Hinweis
Die Frage, ob es sich um eine reine Nachlassverbindlichkeit handelt, bezüglich derer eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass möglich ist, ist notwendige, aber auch hinreichende Voraussetzung für den Erlass eines Vorbehaltsurteils nach § 780 Abs. 1 ZPO.
I. Reine Nachlassverbindlichkeiten
Rz. 5
Reine Nachlassverbindlichkeiten mit Haftungsbeschränkungsmöglichkeit im Außenverhältnis sind Erblasserschulden (§ 1967 Abs. 2 Alt. 1 BG) und Erbfallschulden (§ 1967 Abs. 2 Alt. 2 BGB).
1. Erblasserschulden
Rz. 6
Erblasserschulden rühren vom Erblasser her und bestanden schon ihm gegenüber, § 1967 Abs. 2 Var. 1 BGB. Hierzu zählen alle Verbindlichkeiten, die noch der Erblasser selbst eingegangen ist, unabhängig davon, ob die Schuld schon ihm gegenüber bestand oder – wie bei gestreckten Tatbeständen – erst gegenüber dem Erben; entscheidend ist, dass sie noch vom Erblasser herrühren, also noch von ihm veranlasst sind. Hierzu zählen z.B.
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Betreuungs- und Heimkosten, |
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Prozesskosten, soweit sie bis zum Erbfall entstanden sind, |
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Ansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB wegen fehlgeschlagener Erberwartung, |
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Rückforderungsansprüche nach §§ 530 f. BGB, §§ 93, 102 SGB XII, |
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Schulden des Erblassers wegen unzulässiger Entnahmen als Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen HinweisVorsicht bei der Vermächtnislösung beim Behinderten- und Bedürftigentestament: Das Konkurrenzverhältnis zwischen der noch nicht erfüllten Verbindlichkeit gegenüber den Nachvermächtnisnehmern (§ 2174 BGB) und der Ersatzpflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger (§ 102 SGB XII) ist noch nicht geklärt. Der Erbe des Vorvermächtnisnehmers schuldet Ersatz der Sozialhilfekosten einerseits und Erfüllung des Vermächtnisses andererseits. Vor dinglicher Erfüllung des Vermächtnisses fällt dieses in die Nachlassinsolvenzmasse; danach ggf. Anfechtung. |
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Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen, wie Mietzahlungspflichten bis zum nächsten Kündigungstermin, HinweisBeendet ein Erbe, nachdem ... |