Rz. 225

Die Beweislastverteilung im Arbeitsrecht (Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber) ist streng zu scheiden von der Beweislastverteilung im Schadenersatz (Anspruch auf Schadenersatz wegen Körperverletzung und darauf beruhendem Verdienstausfall).[164]

 

Rz. 226

Da der Arbeitgeber keine eigenen, sondern ausschließlich fremde Schadenersatzansprüche – nämlich solche, die in der Person seines Arbeitnehmers entstanden und geltend zu machen sind – im Wege des gesetzlichen (für die ersten 6 Wochen ab dem Unfalltag: § 6 EFZG) bzw. des privatrechtlichen (für die Zeit ab dem 43. Tag der unfallkausalen Arbeitsunfähigkeit: Abtretungsvertrag) Forderungsüberganges verfolgt, kommt es allein auf schadenersatzrechtliche Kriterien an (siehe auch § 2 Rn 133 ff., dort insbesondere Nachweise in Fn 105),[165] was manchmal auch in der Rechtsprechung[166] übersehen wird. Zu klären sind Anspruchsgrund (u.a. "Besteht eine Haftung?", "Arbeitnehmer tatsächlich verletzt?") und Anspruchshöhe (u.a. Kürzung des Verdienstausfallschaden wegen Vorteilsausgleich).

 

Rz. 227

Der bloße Verdacht einer Verletzung reicht nicht aus, Verdienstausfallansprüche wegen Körperverletzung zu fordern[167] (siehe auch § 3 Rn 102).

 

Rz. 228

Pardey[168] bejaht zwar einen "normativen Schaden" desjenigen Arbeitnehmers, der berechtigterweise auf die ihm erteilte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vertraut, der durch die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers nicht entfällt und an den Arbeitgeber abgetreten werden kann. Pardey übersieht dabei aber, dass der Arzt zwar seinem Patienten gegenüber – u.U. aus rein medizinischer Vorsorge[169] – eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, bei diesem Attest aber überhaupt keine Feststellung zu einer Unfallkausalität benötigt, sondern ihm die Einschätzung jedweder Arbeitsunfähigkeit (aufgrund welchen Ursprungs auch immer,[170] und auch bei bloßem Verdacht) ausreicht.

[164] Siehe ergänzend Burmann/Jahnke "Lohnfortzahlung und Regress des Arbeitgebers bei nicht bewiesener Verletzung des Arbeitnehmers" NZV 2013, 313.
[165] BGH v. 11.11.1975 – VI ZR 128/74 – BB 1976, 38 = BG 1976, 288 = BKK 1976, 227 = DB 1976, 58 = JuS 1976, 338 = MDR 1976, 212 = NJW 1976, 326 = VersR 1976, 340 (Anm. Mittelmeier VersR 1976, 684) = WM 1975, 1304 (zu II.2); OLG Oldenburg v. 27.3.2001 – 12 U 03/01 – DAR 2001, 313; LG Bremen v. 23.4.2009 – 7 S 196/07 – jurisPR-VerkR 5/2010 Anm. 4 (Anm. Jahnke) = SP 2009, 363, LG Chemnitz v. 16.12.2004 – 6 S 3278/04 – SP 2005, 230, LG Hamburg v. 26.4.2010 – 306 S 31/10 – SP 2011, 362; AG Berlin-Mitte v. 16.8.2004 – 113 C 3366/02 – SP 2005, 122, AG Dieburg v. 1.4.2003 – 20 C 252/02 – SP 2004, 265, AG Nettetal v. 24.11.2006 – 17 C 229/05 – SP 2007, 211.
[166] BGH v. 16.10.2001 – VI ZR 408/00 – BGHZ 149, 63 = JR 2002, 372 (Anm. Feuerborn) = MDR 2002, 29 = NJW 2002, 128 = NZA 2002, 40 = NZV 2002, 28 = r+s 2002, 63 (Anm. Lemcke) = SP 2002, 52 = VersR 2001, 1521 = VRS 101, 404 = WI 2002, 21 (kritische Anm. Wussow) = zfs 2002, 67 weist zwar zutreffend (unter Hinweis auf die BAG-Rechtsprechung) auf die arbeitsrechtliche Situation hin, wonach der Arbeitgeber für den Lohnfortzahlungsanspruch seines Arbeitnehmers auf die Richtigkeit der ihm vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vertrauen darf, übersieht dann aber, dass der Anspruch auf Ersatz der erbrachten Lohnfortzahlung sich nicht nach dem EFZG, sondern nach dem Schadensersatzrecht ausrichtet. Siehe korrigierend BGH v. 23.2.2010 – VI ZR 331/08 – DAR 2010, 468 (nur Ls.) = jurisPR-VerkR 14/2010 Anm. 2 (Anm. Lang) = MDR 2010, 627 = NJW 2010, 1532 = NJW-Spezial 2010, 266 = NZV 2010, 292 = r+s 2010, 217 = SP 2010, 179 = VersR 2010, 550 =VRS 119, 65 = zfs 2010, 379 (insb. zu II1).
[167] BGH v. 17.9.2013 – VI ZR 95/13 – DAR 2014, 84 = jurisPR-VerkR 22/2013 Anm. 1 (Anm. Wenker) = MDR 2013, 1343 = NJW 2013, 3634 = NJW-Spezial 2013, 681 = NZV 2014, 23 (Anm. Huber) = r+s 2013, 570 (Anm. Lemcke) = SP 2013, 428 = UV-Recht Aktuell 2013, 1183 = VersR 2013, 1406 = zfs 2014, 19 m.w.N. (LG Chemnitz v. 14.2.2014 – 6 S 264/11 – hat nach Zurückverweisung durch den BGH nach erneuter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen) (Ein Unfallgeschädigter kann die durch eine ärztliche Untersuchung oder Behandlung entstandenen Kosten vom Schädiger nur ersetzt verlangen, wenn der Unfall zu einer Körperverletzung geführt hat. Die bloße Möglichkeit oder der Verdacht einer Verletzung genügt dafür nicht.).
[168] Pardey, 4. Aufl. 2010, Rn 2110, aber widersprüchlich zu Pardey, 4. Aufl. 2010, Rn 148, 572. Küppersbusch/Höher, Rn 106 (Anders noch die Vorauflage: Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl. 2010, Rn 106 bejahte einen normativen Schaden des Arbeitnehmers bei objektiv falscher Krankschreibung durch den Arzt und verweist [siehe Fn 205] den Ersatzpflichtigen auf einen Schadenersatzanspruch gegen den pflichtwidrig handelnden Arzt [Behandlungsvertrag mit Schutzwirkung für Dritte wie bei der Haftung eines Kfz-Sachverständigen bei fehlerhafter Begutachtung – dazu OLG Karlsruhe v. 29.12.2004 – 1...

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