Rz. 394
Während der Beschäftigung eines Arbeitnehmers in einem anderen Mitgliedsstaat muss eine Verknüpfung zum entsendenden Unternehmen fortbestehen. Der Wortlaut des Art. 12 VO (EG) 883/04 kann allerdings nur zusammen mit dem Beschluss Nr. A2 v. 12.6.2009 gelesen und verstanden werden: Die Regelung Art. 12 lautet:
Zitat
"Eine Person, die in einem Mitgliedsstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedsstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, ...."
Wie sich aus dem Wortlaut der VO ergibt, wird das Tatbestandsmerkmal im Rahmen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses umschrieben mit den wirtschaftlichen Kriterien "für dessen Rechnung". Die EU-Verwaltungskommission hat zur Begründung des bestehenden inländischen Beschäftigungsverhältnisses die wirtschaftliche Zuordnung des Arbeitnehmers zu dem ihn entsendenden Arbeitgeber ähnlich der Kriterien zugrunde gelegt, wie dies in § 4 SGB IV durch das BSG vorgegeben wurde (s. Rdn 319 ff.).
Die Verwaltungskommission führt aus, dass davon auszugehen ist, dass eine Arbeit für Rechnung eines Arbeitgebers des Entsendestaates ausgeführt wird, wenn feststeht, dass diese Arbeit für diesen Arbeitgeber ausgeführt wird und dass mit diesem Arbeitgeber eine arbeitsrechtliche Bindung fortbesteht. Zur Feststellung, ob eine solche arbeitsrechtliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fortbesteht, soll ein Bündel von Merkmalen (Indizien) zu berücksichtigen sein. Nach dem Beschluss Nr. A2 ist dies immer dann der Fall, wenn das entsendende Unternehmen
Rz. 395
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verantwortlich für die Anwerbung des Arbeitnehmers ist, |
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weiterhin verantwortlich für die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ist, |
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den Arbeitnehmer entlassen kann, |
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über die Art und Weise der vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Arbeit bestimmt. |
Rz. 396
Das inländische Beschäftigungsverhältnis wird hauptsächlich davon abhängig gemacht, dass der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine arbeitsrechtliche Bindung – Arbeitsvertrag, der auch die Ausführung der Beschäftigung im Ausland beschreibt – besitzen. In Beschluss Nr. A2 der Verwaltungskommission heißt es zu dem Begriff "Entlohnung" weiter:
Zitat
"Unbeschadet etwaiger Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber im Entsendestaat und dem Unternehmen im Beschäftigungsstaat über die Entlohnung der Arbeitnehmer."
Hieraus ist abzuleiten, dass sich der Entlohnungsanspruch arbeitsrechtlich aus dem Arbeitsvertrag mit dem den Arbeitnehmer entsendenden Arbeitgeber ergeben muss. Gleichzeitig darf dieser Arbeitgeber jedoch mit dem Unternehmen im Beschäftigungsstaat eine Vereinbarung treffen, die den körperschaftssteuerlichen Voraussetzungen entspricht. Körperschaftsteuerlich darf nur der Arbeitgeber/das Unternehmen den Betriebsausgabenabzug für die Lohnkosten des Arbeitnehmers vornehmen, der den wirtschaftlichen Nutzen des Arbeitnehmers hat.
Im Ergebnis heißt das, dass eine Weiterbelastung des Entgeltes an das Unternehmen in den anderen EU-Staat körperschaftssteuerlich erfolgen muss und nunmehr auch sozialversicherungsrechtlich zulässig ist.
Die Gehaltsbelastung wie sie körperschaftssteuerrechtlich stattfinden muss, führt mithin innerhalb der EU nicht mehr zum Wegfall des inländischen Beschäftigungsverhältnisses, hier reicht das Bestehen des Arbeitsvertrags aus. Hier führt die Gehaltsbelastung also nicht zum Verlust der Sozialversicherungspflichten und -rechten in Deutschland.
Rz. 397
Hinweis:
Die Sonderregelung, die anhand der Auslegung der Verwaltungskommission durch den Beschluss A2 bzgl. des inländischen Beschäftigungsverhältnisses vorgenommen wird, gilt nicht außerhalb der EU-Mitgliedsstaaten. Eine Entsendung nach SGB bzw. nach Abkommensrecht ist weiterhin nur dann möglich, wenn eine Gehaltsbelastung nicht erfolgt. Bei Entsendungen, die außerhalb der EU stattfinden, führt eine Gehaltsweiterbelastung zum Wegfall des Tatbestandsmerkmals "inländisches Beschäftigungsverhältnis" und mithin zum Verlust des Versicherungsschutzes nach deutschen Sozialversicherungsregelungen. Hier gilt immer noch der Grundsatz, dass ein inländisches Beschäftigungsverhältnis nur dann angenommen werden darf, wenn das Gehalt des Arbeitnehmers, der für den Arbeitgeber im Ausland tätig wird, zu 100 % vom inländischen Unternehmen getragen wird, mithin in dessen Gewinn-/Verlustrechnung ausgewiesen wird.