1. Über- bzw. zwischenstaatliches Recht
Rz. 297
In § 6 SGB IV wird klargestellt, dass abweichende Regelungen des über- bzw. zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben, d.h. vorrangig sind. Überstaatliches Recht sind die EU-Verordnungen über die soziale Sicherheit. Zwischenstaatliches Recht sind die Sozialversicherungsabkommen über soziale Sicherheit und Arbeitslosenversicherung, welche die BRD mit einzelnen Staaten abgeschlossen hat, bzw. die entspr. Dachabkommen. Soweit weder EU-Recht noch ein Sozialversicherungsabkommen anwendbar ist, kann in den Fällen der Ein- und Ausstrahlung neben dem Sozialversicherungsrecht des Entsendestaats auch das Sozialversicherungsrecht des Beschäftigungsstaats zur Anwendung kommen. Diese Doppelbelastung mit Sozialversicherungsbeiträgen in beiden Ländern kann nur vermieden werden, wenn überstaatliches Recht oder zwischenstaatliches Recht eine Doppelbelastung ausschließen.
2. Rechtsgrundlage VO (EG) 883/04
Rz. 298
Soweit eine Beschäftigung innerhalb der EU bzw. in den Staaten des EWR oder der Schweiz erfolgt, ist zu prüfen, inwieweit die Anwendbarkeit der VO (EG) 883/04 gegeben ist.
Rz. 299
Durch das Europäische Parlament und den Rat der EU, gestützt auf den Art. 42 und Art. 308 EGV ist die VO (EG) 883/04 sowie die Durchführungsverordnung 987/09 erlassen worden. (Die ebenfalls in 2009 erlassene VO (EG) 988/09 ändert diese inhaltlich wieder ab und konkretisiert diese, z.B. Erweiterung der VO (EG) 883/04 auf Drittstaatsangehörige). Hierdurch soll die im EG-Vertrag niedergelegte Freizügigkeit von Personen bzgl. des Aufenthaltes und der Arbeitsaufnahme in den Mitgliedstaaten sozial abgesichert sowie vereinheitlicht und vereinfacht werden. Der Vertrag sieht vor, dass Wanderarbeitnehmer, die eine Beschäftigung in den verschiedenen Mitgliedstaaten ausgeübt haben in Bezug auf die Entstehung eines Leistungsanspruches so behandelt werden sollen, als hätten sie sämtliche in den Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten in dem betreffenden Mitgliedstaat erfüllt.
Rz. 300
Bzgl. der Weitergeltung der alten EWG-VO für die Bürger aus den EWR-Staaten und der Schweiz ist mithin darauf zu achten, wann diese Länder eine Ratifizierung der neuen VO (EG) 883/04 vornehmen und welche Einschränkungen sie enthalten. Zum jetzigen Zeitpunkt geht man davon aus, dass die neue EU-VO Mitte 2010 von den Staaten ratifiziert werden wird. Genaueres wird man auf der Seite der DVKA im Internet erfahren können.
Da die Regelungen der alten EWG-VO 1408/71 noch ca. 10 Jahre zur Anwendung kommen können, werden die Ausführungen der 2. Aufl. dieses Buchs als Anhang I beigefügt. (s. Anhang I EWG VO 1408/71 Anlage Sozialversicherung). Die wesentlichen Änderungen der neuen VO (EG) 883/04 bestehen in der Verlängerung der Entsendedauer auf 24 Monate, den Neuregelungen zu dem Merkmal "Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten" sowie in der Klarstellung der bisherigen Problemfälle, die nunmehr einfacher geregelt sind.
3. Anwendung der EU-Regelung ab dem 1.5.2010
Rz. 301
a) VO (EG) 883/04
Rz. 302
Die VO (EG) 883/04 regelt die materiellen Anspruchsvoraussetzungen zur Anwendung der jeweiligen Rechtsvorschriften. Hier finden sich insb. Regelungen zum sachlichen, räumlichen und persönlichen Geltungsbereich der VO (Art. 1, 2, 3 VO [EG] 883/04), zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsordnung (Art. 11 bis 16 VO [EG] 883/04) sowie besondere Vorschriften zu den einzelnen Leistungsarten (Art. 17 bis 70 VO [EG] 883/04).
b) VO (EG) 987/09
Rz. 303
Die VO (EG) 987/09 regelt hingegen als Durchführungsverordnung zur VO (EG) 883/04 die Auslegung der Artikel sowie die Verfahrensvorschriften und hat die VO (EG) 883/04 in 2009 zum 1.5.2010 in Kraft gesetzt. In der VO (EG) 987/09 werden mithin die Tatbestandsmerkmale der einzelnen Art. 11 bis 16 konkretisiert. Die Konkretisierung der Voraussetzungen der VO (EG) 883/04 ist notwendig, um zu erkennen wie diese Sonderregelungen anzuwenden sind. Ergänzt wird die VO (EG) durch die Beschlüsse der EU-Verwaltungskommission, wie z.B. den Beschluss A2 v. 12.6.2009.