Norbert Marten, Dipl.-Phys. Klaus Schmedding
Rz. 86
Eine weitere Besonderheit von Nutzfahrzeugen ist, dass diese Fahrzeuge anders als eine Vielzahl von Pkw über eine sog. Niveauregulierung verfügen. In der Regel sind bei Pkw Stahlfedern eingesetzt, die je nach Lastzustand nachgeben, wodurch sich dann die Karosserielage absenkt.
In aller Regel sind Nutzfahrzeuge aber mit Luftfederungen ausgestattet (Abb. 5.70). Die Stahlfedern wurden dabei durch Federbälge ersetzt, die mit Druckluft gefüllt werden. Vorteil ist hier ein sehr feinfühliger Federungskomfort. Zudem ist es möglich die Aufbauhöhe bei Lkw konstant zu halten. Auch eine manuelle Absenkung der Fahrzeuge ist möglich. Hierüber lässt sich z.B. ein KOM absenken, um den Fahrgästen den Einstieg zu erleichtern.
Abb. 5.70
Die Luftfederung ermöglicht es, über Regelventile, die den Abstand des Aufbaus zur Achse überwachen, die Lage des Aufbaus immer auf gleichem Niveau zu halten. Der Druck in den Federbälgen wirkt dabei dem Beladungszustand entgegen. Das Regelventil ist zwischen Achse und Aufbau gekoppelt, wodurch dann je nach Lastzustand mehr Druck in die Luftfederbälge gepresst werden kann. Durch die Druckerhöhung wird dann der Lagezustand des Aufbaus gehalten.
Folglich spielt bei statischem Vergleich möglicher Kontaktzonen diese Besonderheit eine größere Rolle.
Rz. 87
Im folgenden Praxisbeispiel wurde ein Müllfahrzeug einem Pkw gegenübergestellt. Es sollte die Schadensverursachung durch den am Pkw anstreifenden Lkw geprüft werden. Im Zuge der Gegenüberstellung konnte man aufzeigen, dass die Spuren am Pkw einzelnen Bauteilen am Lkw zuordenbar waren. Im Rahmen des Zivilverfahrens wurde seitens des Parteivertreters des Lkw-Halters der Einwand vorgebracht, dass die Beladungszustände des Lkw nicht berücksichtigt wurden. Zum Vorfallszeitpunkt war der Lkw voll beladen, wobei im Zuge der Gegenüberstellung ein leeres Fahrzeug vorgestellt wurde. Die Niveauregulierung ließ es zu, dass auch im Zuge der Gegenüberstellung der Beladungszustand berücksichtigt wurde, da die Niveauregulierung auch bei leerem Fahrzeug die gleiche Bodenaufstandshöhe einpegelte, wie bei voll beladenem Lkw.
Rz. 88
Die Luftfederung lässt aber größere Federwege zu, so dass bei gebremsten Anstößen Verlagerungen der Kontaktzonen eintreten können. Auch neigen Nutzfahrzeuge zu stärkeren Wank-und Nickbewegungen, was letztlich mit den größeren Federwegen des Fahrzeuges zu begründen ist.
Bei einer Vollbremsung sackt ein Nutzfahrzeug in seiner Federung vorn stark ein (vgl. Abb. 5.71a – d).
Dies ist beim Pkw ebenfalls feststellbar, es sind jedoch beim Nutzfahrzeug die Federwege aufgrund der Luftfederung deutlich länger.
Stand der Technik ist heute ein sog. Activ-Body-Control System, bei dem Unebenheiten in der Fahrbahn direkt erkannt werden. Die Federung wird dann über Druckluft so angesteuert, dass Unebenheiten weitestgehend ausgeglichen werden. Dies führt zu einem stabileren Fahrverhalten, was auch bei Spurwechseln und plötzlichen Ausweichmanövern die Sicherheit erhöht. Dieses System versucht dann, auch im Fahrzustand den Aufbau immer auf fast gleicher Höhe zu halten.
Rz. 89
Finden Blattfedern Einsatz in Nutzfahrzeugen (Abb. 5.72), so verhalten sich diese ähnlich wie die Schraubenfedern beim Pkw. Bei Belastung wird kein Ausgleich erzeugt. Unter Last geben die Federn nach, wodurch der Aufbau abgesenkt wird. In der Regel sind Blattfedern jedoch mittlerweile eher die Ausnahme geworden.
Abb. 5.72
Rz. 90
Bei einer anderen Gattung der Nutzfahrzeuge spielt die Federung nur eine untergeordnete Rolle: Bei Traktoren oder Häckslerfahrzeugen ist keine direkte Federung verbaut. Die Achse ist direkt mit dem Chassis verbunden. Die Federwirkung wird durch die großen mit Druckluft befüllten Reifen erzielt. Aufgrund des Volumens und Umfangs der Reifen haben diese eine deutlich größere Federwirkung als Pkw-Reifen. Für die Einsatzgebiete (Ackerbau) reicht diese Art der Federung aus.