Dr. Christopher Riedel, Prof. Dr. Carmen Griesel
Rz. 293
Der Substanzwert bildet die Untergrenze des maßgeblichen Unternehmenswerts. Dieser ergibt sich als Summe aus den gemeinen Werten der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter nach §§ 95–97 BewG abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden. Der Ansatz des Substanzwerts ist ausgeschlossen, wenn der gemeine Wert aus tatsächlichen Verkäufen unter fremden Dritten im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgeleitet wird.
Rz. 294
Im Substanzwert sind alle zum ertragsteuerlichen Betriebsvermögen zählenden Wirtschaftsgüter unabhängig davon zu erfassen, ob für diese ein steuerliches Aktivierungs- bzw. Passivierungsverbot (z.B. bei Drohverlustrückstellungen) besteht. Somit sind auch selbstgeschaffene oder entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter, z.B. Patente, Lizenzen, Warenzeichen, Markenrechte, Konzessionen, Belieferrechte zu erfassen. Sofern den geschäftswert-, firmenwert- oder praxiswertbildenden Faktoren ein eigenständiger Wert zugewiesen werden kann (z.B. Kundenstamm, Know-how), ist dieser mit einzubeziehen, und zwar unabhängig davon, ob diese selbst geschaffen oder entgeltlich erworben wurden.
Rz. 295
Die Rücklagen und Ausgleichsposten haben Eigenkapitalcharakter und sind daher nach Ansicht der Finanzverwaltung im Allgemeinen nicht abzugsfähig. Die zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie die zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge sind bei der Ermittlung des Substanzwerts nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dabei sind im Betriebsvermögen gehaltener Grundbesitz und Beteiligungen an "Tochterunternehmen" (Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften), für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 BewG festzustellen ist, mit dem auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen.
Rz. 296
Der gemeine Wert von Erfindungen oder Urheberrechten, die in Lizenz vergeben oder in sonstiger Weise gegen Entgelt einem Dritten zur Ausnutzung überlassen sind, wird in der Weise ermittelt, dass der Anspruch auf die in wiederkehrenden Zahlungen bestehende Gegenleistung kapitalisiert wird, soweit keine anderen geeigneten Bewertungsgrundlagen vorhanden sind.
Rz. 297
Wirtschaftsgüter des beweglichen, abnutzbaren Anlagevermögens sind aus Vereinfachungsgründen mindestens mit 30 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn dies nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führt. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind mit ihren Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten zum Bewertungsstichtag anzusetzen, wobei deren Wert auch nach der retrograden Methode ermittelt werden kann. Stille Reserven aufgrund der Verbrauchsfolgefiktion des Lifo-Verfahrens sind beim Substanzwert anzusetzen.
Rz. 298
Nur wenn sich Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften in Liquidation befinden, kann nach Ansicht der Finanzverwaltung der Liquidationswert (einschließlich der Liquidationskosten, die beispielsweise für einen Sozialplan anfallen) angesetzt werden.
Rz. 299
Bei der Ermittlung des Substanzwerts ist das Vermögen des Unternehmens mit dem gemeinen Wert zum Bewertungsstichtag (§§ 9, 11 ErbStG) zugrunde zu legen. Entsteht jedoch die Steuer zu einem Zeitpunkt, der nicht mit dem Schluss des Wirtschaftsjahres übereinstimmt, auf das das Unternehmen einen regelmäßigen jährlichen Abschluss macht, kann entweder ein Zwischenabschluss erstellt werden, auf dessen Basis der Substanzwert ermittelt wird. Aus Vereinfachungsgründen kann der Wert des Vermögens des Unternehmens zum Bewertungsstichtag aus der auf den Schluss des letzten vor dem Bewertungsstichtag endenden Wirtschaftsjahres erstellten Vermögensaufstellung abgeleitet werden. Dies gilt nur, sofern dies im Einzelfall nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt und deshalb eine besondere Ermittlung des Substanzwerts auf den Bewertungsstichtag vorzunehmen ist.
Rz. 300
Dabei ist zunächst die Summe der gemeinen Werte für die Wirtschaftsgüter, sonstige aktive Ansätze, Schulden und sonstige Abzügen am Abschlusszeitpunkt zu bilden, die bei der Ermittlung des Substanzwerts des Unternehmens anzusetzen sind (Ausgangswert) und anschließend aus dem Ausgangswert der Wert des Vermögens des Unternehmens auf den Bewertungsstichtag unter vereinfachter Berücksichtigung der im Vermögen des Unternehmens bis zum Bewertungsstichtag eingetretenen Veränderungen abzuleiten.