Dr. Christopher Riedel, Prof. Dr. Carmen Griesel
a) Anwendungsbereich
Rz. 201
Für Erwerbe mit einem (ggf. mit anderen Erwerben zusammengerechneten) Wert von mehr als EUR 90 Mio. kommt eine Begünstigung nur auf der Grundlage einer positiv verlaufenden Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) in Betracht. Die Anwendung eines abgeschmolzenen Verschonungsabschlags scheidet aus.
Rz. 202
Die Verschonungsbedarfsprüfung findet auch in den Fällen statt, in denen der maßgebliche Wert des (26 Mio. EUR übersteigenden) Erwerbs zwar nicht über 90 Mio. EUR liegt, der Erwerber aber keinen Antrag i.S.v. § 13c Abs. 1 S. 1 ErbStG stellt.
Rz. 203
Ebenso wie die Abschmelzung setzt auch die Verschonungsbedarfsprüfung grundsätzlich einen diesbezüglichen Antrag voraus, der (wie bereits erwähnt) nur zulässig ist, wenn nicht bereits ein Antrag auf Gewährung des abgeschmolzenen Verschonungsabschlag (§ 13c ErbStG) gestellt wurde (§ 28a Abs. 8 ErbStG).
Im Übrigen stellt die Bezugnahme in § 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG auf das begünstigte Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG klar, dass ein Verschonungsbedarf von vornherein nur dann bestehen kann, wenn bzw. soweit der Erwerb sämtliche Anforderungen an eine Begünstigungsfähigkeit erfüllt und die Gewährung des Verschonungsabschlags (§ 13a Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 10 ErbStG) lediglich an der Überschreitung des Schwellenwerts von 26 Mio. EUR scheitert. Vor diesem Hintergrund kommt auch insbesondere im Falle des Bestehens von Weitergabeverpflichtungen eine Verschonung nach § 28a ErbStG nicht in Frage (vgl. § 28a Abs. 1 S. 2 ff. ErbStG).
b) Verschonungsbedarf
Rz. 204
Ein Verschonungsbedarf besteht nach § 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG, soweit der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die auf das prinzipiell begünstigte Vermögen entfallende Steuer aus seinem "verfügbaren Vermögen" zu begleichen. Das verfügbare Vermögen in diesem Sinne definiert § 28a Abs. 2 ErbStG als 50 % der Summe der gemeinen Werte des im Rahmen der zu beurteilenden Zuwendung erworbenen nicht begünstigten Vermögens sowie des dem Erwerber im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) bereits gehörenden Vermögens (soweit es sich hierbei nicht um Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG handelt).
Rz. 205
Das verfügbare Vermögen setzt sich also stets aus zwei Komponenten zusammen: um einen dem im Eigentum des Steuerpflichtigen bereits vor der zu beurteilenden Zuwendung vorhandenen Vermögen und zum anderen aus dem im Rahmen der zu beurteilenden Zuwendung erworbenen Vermögen. In beiden Fällen ist die jeweilige Zusammensetzung dieses Vermögens qualitativ zu analysieren. Begünstigtes Produktivvermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG ist auszuscheiden; es gehört unter keinem Gesichtspunkt zum verfügbaren Vermögen. Die übrigen Vermögensteile gehen demgegenüber in das verfügbare Vermögen ein; ihr Wert wird in Höhe von 50 % als "verfügbar" i.S.v. § 28a ErbStG angesehen.
Dabei ist auch zu beachten, dass etwa mitübertragenes schädliches Verwaltungsvermögen, das bei der Bestimmung des begünstigten Vermögens nach § 13b Abs. 2 ErbStG auszuscheiden ist, ebenfalls in das verfügbare Vermögen einfließt. Gleiches gilt auch für entsprechende Vermögensteile, die im Zeitpunkt der Steuerentstehung bereits im Vermögen des Erwerbers vorhanden sind bzw. waren.
c) Art der zu gewährenden Verschonung (Erlass)
Rz. 206
Soweit die auf das begünstigte Vermögen geschuldete Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer das verfügbare Vermögen i.S.v. § 28a Abs. 2 ErbStG übersteigt, wird sie dem Steuerpflichtigen erlassen (§ 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG). Eine weitere Prüfung der Erlassbedürftigkeit nach den Vorschriften der AO findet nicht statt.
Allerdings steht dieser Erlass unter der auflösenden Bedingung, dass der Erwerber nicht gegen die in § 28a Abs. 4 ErbStG genannten Bedingungen verstößt, insbesondere innerhalb der Lohnsummenfrist von sieben Jahren die Mindestlohnsumme entsprechend den Vorgaben der Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 Nr. 3–5 ErbStG) unter entsprechender Anwendung der Vorgaben des § 13a Abs. 3 ErbStG nicht unterschreitet und nicht gegen die Behaltensanforderungen des § 13a Abs. 6 S. 1 ErbStG verstößt.
Rz. 207
Außerdem entfällt der Erlass nach § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG dann, wenn der Erwerber innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der erlassenen Steuer (§ 9 ErbStG) weiteres Vermögen durch Schenkung oder von Todes wegen erwirbt, das als "verfügbares Vermögen" anzusehen ist. In diesem Fall kann der Erwerber allerdings einen erneuten Antrag auf Prüfung des Verschonungsbedarfsprüfung stellen, bei dem sodann auch 50 % des nachträglich hinzu erworbenen (nicht begünstigten) Vermögens als verfügbares Vermögen berücksichtigt werden.