Dr. Christopher Riedel, Prof. Dr. Carmen Griesel
Rz. 413
§ 6 Abs. 3 EStG regelt die zwingende Buchwertfortführung bei unentgeltlicher Übertragung eines Betriebes, Teilbetriebes oder eines Anteils eines Mitunternehmers an einem Betrieb. Dies ermöglicht eine Fortsetzung des Betriebes, ohne eine Ertragsteuerbelastung auszulösen. Die stillen Reserven gehen in diesem Fall ohne eine Besteuerung auszulösen auf den Rechtsnachfolger über. Voraussetzung ist, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen mit übertragen werden, wobei es zur Bestimmung der Frage, ob es sich um ein wesentliches Wirtschaftsgut handelt, allein darauf ankommt, ob es von seiner Funktion her von Bedeutung für den Betrieb ist (sog. funktionale Betrachtungsweise), und nicht auf seine Werthaltigkeit.
Rz. 414
Bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils, der sich aus dem Anteil am Gesamthandsvermögen und dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters zusammensetzt, sind für das Eingreifen des § 6 Abs. 3 EStG grds. die wesentlichen Wirtschaftsgüter aus beiden Vermögen zu übertragen. Unentgeltlich ist die Übertragung auch dann, wenn sich im Betriebsvermögen – wie üblich – Verbindlichkeiten befinden und diese anteilig mit Erhalt der Beteiligung an dem Betriebsvermögen übernommen werden. Erst wenn ein vereinbartes Entgelt die Buchwerte übersteigt, kommt es zu einer Betriebsveräußerung i.S.v. § 16 EStG.
Hinweis
Leistet der eintretende Gesellschafter, der neue Gesellschaftsrechte erwirbt, eine Einlage in die Gesellschaft, gilt vorrangig § 24 UmwStG. Die Regelung des § 6 Abs. 5 EStG tritt regelmäßig hinter § 6 Abs. 3 EStG zurück (vgl. Rdn 418 ff.).
Rz. 415
Die Buchwertfortführung sieht das Gesetz ausdrücklich auch bei der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen sowie bei der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine natürliche Person vor. Gleiches gilt, wenn ein Betrieb unentgeltlich auf mehrere Personen übergeht, die dann eine Mitunternehmerschaft bilden. Bei der unentgeltlichen Übertragung auf eine Kapitalgesellschaft, an der der Übertragende beteiligt ist, handelt es sich demgegenüber um eine verdeckte Einlage i.S.v. § 6 Abs. 6 EStG (siehe Rdn 425 ff.).
Rz. 416
Bei der Übertragung eines Mitunternehmeranteils steht es einer Buchwertfortführung nicht entgegen, wenn der bisherige Betriebsinhaber (Mitunternehmer) Wirtschaftsgüter, die weiterhin zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehören, nicht überträgt (§ 6 Abs. 3 S. 2 EStG). Das Gesetz erlaubt in diesem Fall, dass nur ein Teil des Mitunternehmeranteils übertragen wird, also z.B. wesentliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zurückbehalten werden. Voraussetzung ist aber, dass der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nicht veräußert oder aufgibt (sog. fünfjährige Behaltensfrist). Der Rechtsnachfolger ist an den Ansatz der Buchwerte gebunden, § 6 Abs. 3 S. 3 EStG. Als schädliche Veräußerung gelten auch die offene und verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft und Umwandlungen zum gemeinen, Teil- oder Zwischenwert. Auch die Veräußerung eines Teils des Mitunternehmeranteils ist nach Ansicht der Finanzverwaltung ebenso schädlich wie die Veräußerung von wesentlichen Wirtschaftsgütern des übernommenen Sonderbetriebsvermögens. Bei einer unentgeltlichen Anteilsübertragung durch den Rechtsnachfolger geht die Frist auf den neuen Rechtsinhaber über und läuft weiter.
Vorsicht
Bei Verstoß gegen die Fünfjahresfrist hat der Übertragende die gesamten stillen Reserven der Beteiligung im Übertragungszeitpunkt als laufenden Gewinn zu versteuern, der auch der Gewerbesteuer unterfällt. Aus Sicht des Erwerbers entstehen Anschaffungskosten mit einer geänderten Abschreibungsmöglichkeit. Die entsprechenden Steuerbescheide sind gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses zu ändern.
Hinweis
Für die Beratungspraxis sollte primär versucht werden, das Eingreifen der Fünfjahresfrist dadurch zu verhindern, dass nicht nur ein Teil eines Mitunternehmeranteils i.S.v. § 6 Abs. 3 S. 2 EStG übertragen wird, sondern möglichst der gesamte Mitunternehmeranteil. Lässt sich dies nicht durchsetzen, ist darauf zu achten, dass dem Übertragenden aus dem schädlichen Verhalten des Rechtsnachfolgers keine ungewollten Steuerbelastungen entstehen können. Im Rahmen des Übertragungsvertrages sind daher entsprechende Vertragsklauseln zu seinen Gunsten aufzunehmen, wie z.B. einen Zustimmungsvorbehalt des Übertragenden für Veräußerungen und/oder die Verpflichtung des Empfängers, die bei einer schädlichen Veräußerung entstehende Steuerbelastung zu übernehmen.