Dr. Christopher Riedel, Prof. Dr. Carmen Griesel
Rz. 11
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Der Erwerb durch Erbanfall ist der wichtigste Tatbestand im Erbschaftsteuerrecht. Erfolgt der Erwerb durch letztwillige Verfügung (Testament), aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder durch Erbvertrag, geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge/Universalsukzession (sog. Von-selbst-Erwerb) das gesamte (positive und negative) Vermögen des Erblassers auf den Erben über. Es bedarf keiner Erwerbshandlung seitens des Erben. Der Erbe nimmt dabei die Position des Erblassers im Zeitpunkt des Todes ein.
Rz. 12
Handelt es sich um einen Erwerb bei mehreren Erben (Erbengemeinschaft), so werden diese Träger aller Nachlassrechte und Verbindlichkeiten. Dies bedeutet, dass das gesamte Vermögen ungeteilt als sog. Gesamthandsvermögen auf die Erbengemeinschaft übergeht. Jeder einzelne Miterbe wird steuerlich so behandelt, als ob er mit dem Erbfall bereits Bruchteilseigentümer geworden wäre, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Der Steuerwert des übertragenen Vermögens ist für die Erbschaftsteuer somit nach den Erbanteilen auf die einzelnen Erben zu verteilen.
Rz. 13
Bei dem Erwerb durch Vermächtnis trifft der Erblasser durch letztwillige Verfügung (Testament) eine Anordnung, wer einen Vermögensvorteil aus dem Nachlass erhalten soll (§ 1939 BGB). Steht der Vermächtnisgegenstand im Todeszeitpunkt im Eigentum des Erblassers, fällt er zunächst in den Nachlass. Der Begünstigte (Vermächtnisnehmer) erhält einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten (z.B. den Erben) auf Leistung des Vermächtnisgegenstands (§ 2147 BGB).
Rz. 14
Da gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sowohl der Erwerb durch Erbanfall als auch der Erwerb durch Vermächtnis steuerpflichtige Vorgänge darstellen, besteht die Gefahr einer Doppelbesteuerung. Der Erbe kann daher gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG die Verbindlichkeit aus dem Vermächtnis bei der Ermittlung seines steuerpflichtigen Erwerbes abziehen. Der Gegenstand des Vermächtnisses wird somit nur einmal (beim Vermächtnisnehmer) besteuert.
Rz. 15
Sind der Ehegatte, die Kinder oder die Eltern des Erblassers aufgrund Verfügung von Todes wegen vom Erwerb durch Erbanfall ausgeschlossen, haben sie dennoch einen Pflichtteilsanspruch am Vermögen des Erblassers (§ 2303 BGB). Die Berechnung des Pflichtteils richtet sich nach den §§ 2311–2313 BGB. Der Pflichtteil bemisst sich nach der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsanspruch ist eine Kapitalforderung, welche jedoch nur zu erfüllen ist, wenn der Berechtigte ihn geltend macht. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG ist der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs oder des Erbersatzanspruchs steuerfrei.
Rz. 16
Beim Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wird ein Schenkungsversprechen unter der Bedingung erteilt, dass der Beschenkte den Schenker überlebt (Schenkung von Todes wegen, § 2301 BGB). Die Schenkung auf den Todesfall (R E 3.3 ErbStR 2019) setzt die Tatbestandsmerkmale einer freigebigen Zuwendung voraus (R E 7.1 ErbStR 2019). Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zur Schenkung unter Lebenden gem. § 7 ErbStG ist der Zeitpunkt des Vollzugs der Schenkung. Dementsprechend ist die Schenkung auf den Todesfall auch erst bei Eintritt der Bedingung (Tod des Schenkers) steuerbar. Unterschiede ergeben sich jedoch steuerlich dann, wenn der Beschenkte mit dem Schenkungsgegenstand auch Verbindlichkeiten übernimmt.
Rz. 17
Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG wird ein Vermögensvorteil als steuerpflichtiger Erwerb behandelt, wenn ein Vertrag vorsieht, dass ein Dritter, der selbst nicht Vertragspartner ist, unmittelbar das Recht auf Leistung aus dem Vertrag erhalten soll ("echter" Vertrag zugunsten Dritter). Dieses Leistungsrecht kann auch unter der Bedingung begründet werden, dass es erst mit dem Tod des Vertragspartners entsteht.