Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 14
Ebenfalls umstritten war, ob und wie Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind, wenn zwei unterschiedliche Teilnachlässe vorliegen und sich das Pflichtteilsrecht entsprechend aufspaltet. Kann eine Nachlassverbindlichkeit einem der einzelnen Teilnachlässe zugerechnet werden, so sollte ein Abzug auch nur für diesen Nachlassteil in Frage kommen. Eine "Zurechnung" von Schulden auf nur einen der Nachlassteile konnte z.B. vorgenommen werden, wenn es um Erbfallschulden oder Verwaltungskosten (nur) eines Teilnachlasses geht. Zum Teil wurde sogar erwogen, dass der Erblasser Schulden dem einen oder dem anderen Teilnachlass zuordnen kann; die Zuordnung sollte allerdings nur für das Innenverhältnis (den Ausgleich der Erben untereinander) gelten, nicht für die Haftung im Außenverhältnis.
Ließen sich die Schulden entsprechend zuordnen, so erfolgte der Abzug jeweils in der betreffenden Nachlassmasse, nicht übergreifend.
Rz. 15
Konnte eine entsprechende Zuordnung dagegen nicht vorgenommen werden – z.B. wenn es um Gesamtnachlassverbindlichkeiten ging, etwa wenn der Erblasser einem Gläubiger Geld schuldete – war grundsätzlich der Abzug bei beiden Nachlassmassen vorzunehmen, und zwar nach dem Wert ihrer Anteile.
Beispiel:
Wenn der Erblasser (vgl. das Beispiel oben, siehe Rn 12) Schulden in Höhe von 50.000 EUR hinterlässt, waren die Nachlassteile zueinander ins Verhältnis zu setzen – hier Verhältnis von 1 zu 5; entsprechend waren die Schulden jeweils anzusetzen, der (deutsche) Nachlass war also um 10.000 EUR gemindert anzusetzen, bei der Immobilie wurden 40.000 EUR abgezogen.
Rz. 16
Die gleiche Problematik entstand auch bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen (§ 2325 BGB). Verschenkte der Erblasser die Immobilie in den USA, war allein dieses Vermögen einem Pflichtteilsergänzungsanspruch unterworfen; da dieses Recht aber gar keinen Pflichtteilsanspruch vorsieht, kam es auch nicht zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB. Ein anderes Ergebnis konnte erzielt werden, wenn der Erblasser nicht das Grundstück selbst, sondern den Erlös aus dem Verkauf dieses Grundstücks verschenkte. Der erzielte Kaufpreis – obschon aus einem Immobilienverkauf erzielt – war selbst nicht mehr "unbewegliches Vermögen", sondern bewegliches Vermögen, welches dem deutschen Recht – und damit auch dem deutschen Pflichtteilsrecht – unterworfen war (weil insofern keine besondere Regel des Rechts am Lageort eingreift; es fand damit keine Durchbrechung der Anknüpfung an das deutsche Heimatrecht statt). In diesem Falle bestand also der Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB.
Auch hier fragte sich, ob die Schenkung auf die Teilnachlässe entsprechend ihrem Wert zueinander bezogen werden konnte.