Rz. 16
Die prozessuale Verwertung der durch die Videoüberwachung gewonnenen Beweise hat in aller Regel für den Arbeitgeber große Bedeutung. Im Kündigungsschutzprozess trifft ihn die Beweislast. Deshalb ist er bspw. darauf angewiesen, den bestrittenen Kündigungsgrund für eine fristlose Kündigung (auch wegen etwaiger strafrechtlicher Delikte zu Lasten des Arbeitgebers) durch die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung zu beweisen. Dies gelingt ihm bei einer Videoüberwachung etwa durch die Bezeichnung eines Zeugen, der das Videoband gesehen hat, oder vorrangig und wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme durch die Vorführung des Videobandes selber. Von großer Bedeutung dürfte daher die Inaugenscheinnahme der Videoaufnahmen durch das Arbeitsgericht sein.
Die Verwertung der Videoaufnahmen muss hierfür prozessual zulässig sein. Nicht jede Erkenntnis aus der Beweisaufnahme darf auch prozessual verwertet werden. Neben den geschriebenen Beweisverwertungsverboten ist die Existenz ungeschriebener Beweisverwertungsverbote anerkannt. Sie bestehen, wenn durch die Beweiserhebung in ein verfassungsrechtlich geschütztes Individualrecht eingegriffen wird und die Verwertung nicht ausnahmsweise nach einer Güterabwägung gerechtfertigt wird.
Rz. 17
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten die allgemeinen Grundsätze des deutschen Prozessrechts, wonach rechtswidrig erlangte Erkenntnisse im gerichtlichen Verfahren nicht automatisch bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt bleiben müssen. Dies gilt auch bei Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Ob im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot besteht, ist jeweils im Rahmen einer Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf der einen Seite mit dem Interesse an der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege und dem grundsätzlichen Beweisverwertungsinteresse auf der anderen Seite festzustellen. Dabei reicht das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, für sich allein nicht aus zur Rechtfertigung eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Vielmehr müssen gerade die Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erscheinen. Die heimliche Videoüberwachung soll nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts also zulässig und damit als Beweis verwertbar sein, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitsgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind und die verdeckte Videoüberwachung praktisch das einzige verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.
Rz. 18
Die Nichtbeteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG soll jedenfalls dann nicht zur Unverwertbarkeit des Beweismittels führen, wenn der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt hat oder wenn der Sachverhalt unstreitig ist. Da das Persönlichkeitsrecht bereits in die Abwägung einfließt, ob das Beweismittel überhaupt verwertbar ist und § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG den gleichen Schutzweck verfolgt, führt die unterbliebene Mitbestimmung nicht allein zu einem Verstoß der Beweisverwertung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ist also die Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, begründet die Missachtung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nur dann ein Beweisverwertungsverbot, wenn die damit verbundene kollektivrechtliche Kompetenzüberschreitung für sich genommenen eine solche Sanktion fordert. Das Bundesarbeitsgericht verneint diese Frage. Ein Verwertungsverbot besteht solange nicht, wie das Persönlichkeitsrecht nicht verletzt ist.
Rz. 19
Problematisch ist die Frage sogenannter Zufallsfunde. Erlangt der Arbeitgeber bspw. bei einer Videoüberwachung von Flächen, auf denen die Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringen, zufällig Erkenntnisse, nach denen ein Arbeitnehmer eine Straftat oder sonstige schwere Verfehlungen zu Lasten des Arbeitgebers begeht, bestimmt das BAG, dass die Informationen und Beweismittel, die der Arbeitgeber mittels einer heimlich durchgeführten Videoüberwachung gewonnen hat, nicht allein deshalb einem prozessualen Verwendungs- und Verwertungsverbot unterliegen, weil der Zweck der Beobachtung nicht auf ihre Gewinnung gerichtet war. Überwacht der Arbeitgeber sein Betriebsgrundstück mit Videoüberwachungseinrichtungen zur Vermeidung von Straftaten, etwa um Diebstähle von Kunden und sonstigen Dritten abzuwehren, besteht das erkennbare Bedürfnis des Arbeitgebers, diese gewonnenen Beweise zu verwerten. Das Interesse des Arbeitgebers an der prozessualen Verwendung und Verwertung der Daten und/oder Beweismittel muss jedoch höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch hier gilt also im Grundsatz, dass eine Verwertung nur dann zulässig ist, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers angemessen beachte...