aa) Vertretung mehrerer Miterben
Rz. 6
Beauftragen mehrere Miterben den Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung, stellt sich immer die Frage des Interessenkonflikts, und zwar insbesondere aufgrund der Vorschriften der §§ 2050 ff. BGB. Es ist daher zu empfehlen, bereits bei Mandatsannahme zu prüfen, ob Ausgleichspflichten gegeben sein oder aber auch sonstige Ansprüche der Parteien untereinander bestehen könnten. Wie bereits dargelegt, kommt es auf die Einwilligung der Parteien zur gemeinsamen Vertretung nicht an.
Widerstreitende Interessen können sich auch dann ergeben, wenn es im Rahmen der Erbauseinandersetzung erforderlich sein sollte, ein Grundstück zu verkaufen und die Erben sich über den Preis bzw. über sonstige Bedingungen eines Verkaufs nicht einigen können.
Rz. 7
Vertritt der Rechtsanwalt dennoch mehrere Mitglieder einer Erbengemeinschaft, hat er bei Annahme des Mandats alle Mandanten auf die Gefahr einer möglichen Interessenkollision sowie auf die Folgen der Beendigung sämtlicher Mandate hinzuweisen.
Rz. 8
Vertritt der Rechtsanwalt mehrere Mitglieder einer Erbengemeinschaft und macht ein Mitglied gegen ein anderes Mitglied eine Insolvenzforderung geltend, ist hierin eine Interessenkollision zu sehen.
bb) Vertretung bei unklarer Erbfolge
Rz. 9
Dies ist dann der Fall, wenn ein Elternteil aufgrund der Ausschlagung eines Kindes zur Erbfolge gelangen würde und der Rechtsanwalt zunächst das Kind vertritt und ggf. zur Ausschlagung rät und nach Ausschlagung den dann zur Erbfolge gelangenden Elternteil vertreten würde.
Hierunter fallen auch Streitigkeiten über den Bestand bzw. die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung, wenn je nach Ausgang des Verfahrens entweder der eine oder der andere Mandant Erbe wird.
Ein Interessenkonflikt ist auch dann zu bejahen, wenn mehrere Personen als Erben in Betracht kommen, jedoch einer nicht Erbe ist, wenn es der andere ist.
cc) Vertretung mehrerer Pflichtteilsberechtigter
Rz. 10
Interessenkonflikte können hier entstehen, wenn die Pflichtteilsberechtigten sich bei Bewertungsfragen nicht einig sind. Darüber hinaus könnten anrechenbare Vorempfänge zu berücksichtigen sein oder aber auch Ausgleichungspflichten bestehen.
Rz. 11
Eine Vertretung widerstreitender Interessen kann auch dann vorliegen, wenn mehrere Pflichtteilsberechtigte vertreten werden, um deren Pflichtteil dem Erben gegenüber geltend zu machen und gleichzeitig deren Mutter wegen Abwehr von Nachlassforderungen vertreten wird, und beide Angelegenheiten auf demselben Erbfall beruhen.
Rz. 12
Hat der Rechtsanwalt den Erblasser bei der Testamentserrichtung beraten und verfasst dieser sodann ein Testament, in dem er seine Tochter zur Alleinerbin beruft und zugunsten seiner Ehefrau Vermächtnisse anordnet, besteht eine Interessenkollision, wenn der Rechtsanwalt dann nach dem Tod des Erblassers dessen Witwe bei der Geltendmachung von deren Vermächtnis- und Pflichtteilsansprüchen vertritt. Dies wird damit begründet, dass es sich um dieselbe Rechtssache handelt. Vertritt der Rechtsanwalt hingegen die Ehefrau nur bei der Durchsetzung der der Ehefrau zustehenden testamentarischen Ansprüche, liegt ein Interessenwiderstreit nicht vor.
dd) Gestaltungsfragen
Rz. 13
In der Regel ist es unproblematisch, wenn Ehegatten im Rahmen der Gestaltung eines gemeinschaftlichen Testamentes beraten werden. Sind sich die Ehegatten allerdings uneins, welches der Kinder beispielsweise zum Erben berufen werden soll, darf der Rechtsanwalt nicht weiter beraten. Dies gilt auch für die Fälle, in denen sich die Ehegatten wegen Änderung einer früheren letztwilligen Verfügung beraten lassen und lediglich ein Ehegatte die Änderung tatsächlich will. Zu Interessenkonflikten kann es auch dann kommen, wenn Kinder aus verschiedenen Ehen vorhanden sind oder erhebliche Unterschiede in den Vermögensverhältnissen der Ehegatten bestehen. Auch Fragen der erbrechtlichen Bindung in Bezug auf eine Schlusserbeneinsetzung können zu Interessenkonflikten führen.
Stellt sich der Interessenkonflikt bereits bei Annahme des Mandats heraus, darf der Rechtsanwalt nur eine Partei beraten. Tritt der Interessenkonflikt erst zu einem späteren Zeitpunkt auf, muss der Rechtsanwalt das Mandat insgesamt niederlegen.
Rz. 14
Das Problem der Interessenkollision stellt sich auch in den Fällen, in denen eine "Familie" an den Rechtsanwalt herantritt, um im Rahmen der Vermögensnachfolge lebzeitige Übertragungen zu konzipieren. Seitens der Übergeber ist häufig eine umfassende Absicherung, wie beispielsweise die Vereinbarung von Rückforderungsrechten in Risikofällen (z.B. Tod des Übernehmers vor dem Tod des Übergebers, Verfügungen über das Übergabeobjekt, Scheidung des Übernehmers etc.) gewünscht. Ist der Rechtsanwalt auf Übernehmerseite tätig, wird er derartige Rückforderungsklauseln...