I. Erbscheinsverfahren
Rz. 100
Zur Ermittlung der Höhe des Gegenstandswerts vgl. Rdn 53.
Beispiel
a) Erbscheinsverfahren ohne Beweisaufnahme
Der Rechtsanwalt wird mit der Vertretung im Erbscheinsverfahren beauftragt. Eine Beweisaufnahme ist nicht erforderlich. Der Gegenstandswert liegt bei 50.000 EUR
Es entstehen die folgenden Gebühren:
1,3 Verfahrensgebühr (§§ 2 Abs. 2, 13 i.V.m. Nr. 3100 VV RVG) |
1.511,90 EUR |
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) |
20,00 EUR |
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1.531,90 EUR |
19 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG) |
291,06 EUR |
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1.822,96 EUR |
b) Erbscheinsverfahren mit Beweisaufnahme
Der Rechtsanwalt wird mit der Vertretung im Erbscheinsverfahren beauftragt. Das Nachlassgericht hört die Parteien an und holt ein Sachverständigengutachten ein. Der Gegenstandswert: liegt bei 50.000 EUR
Es entstehen die folgenden Gebühren:
1,3 Verfahrensgebühr (§§ 2 Abs. 2, 13 i.V.m. Nr. 3100 VV RVG) |
1.511,90 EUR |
1,2 Terminsgebühr (§§ 2 Abs. 2, 13 i.V.m. Nr. 3104 VV RVG) |
1.395,60 EUR |
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) |
20,00 EUR |
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2.927,50 EUR |
19 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG) |
556,23 EUR |
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3.483,73 EUR |
II. Vergütung bei Erbauseinandersetzungen
Rz. 101
Nach Abschaffung der BRAGO rückte bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft die Einigungsgebühr in den Vordergrund. Gemäß Nr. 1000 Abs. 2 VV RVG fällt die Einigungsgebühr auch dann an, wenn der mandatierte Rechtsanwalt bei den Vertragsverhandlungen lediglich mitgewirkt hat und diese Mitwirkungshandlung für den erfolgreichen Abschluss der Streitigkeit ursächlich war. Im Rahmen einer Erbauseinandersetzung genügt es dabei, wenn der vom Rechtsanwalt vorgelegte Teilungs- bzw. Auseinandersetzungsplan zu einem Vertragsabschluss der Parteien führt. Legt der Rechtsanwalt einen Teilungsplan oder Auseinandersetzungsvertrag vor, gilt dies als Vertrag im Sinne von Nr. 1000 Abs. 1 RVG. Es muss aber in jedem Falle zu einem Vertragsabschluss kommen. Ohne Vertragsabschluss fällt die Einigungsgebühr nicht an.
Weiter ist bei einer Erbauseinandersetzung im außergerichtlichen Bereich in der Regel (Einzelfallbetrachtung!) von einer überdurchschnittlich schwierigen und umfangreichen Angelegenheit auszugehen, so dass grundsätzlich eine 2,2 Geschäftsgebühr angemessen ist.
III. Stufenklage bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen
Rz. 102
Die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im Rahmen einer Stufenklage (Auskunft und Leistungsklage) wird in gebührenrechtlicher Hinsicht als eine Angelegenheit betrachtet. Maßgeblich für die Wertberechnung ist dabei der höhere der geltend gemachten Ansprüche (§ 44 GKG), in den meisten Fällen also der Zahlungsanspruch. Unterbleibt die mündliche Verhandlung wegen vorheriger Klageabweisung, kann der Rechtsanwalt die Verhandlungsgebühr nur auf Grundlage des Werts der Auskunft verlangen. Führt die Auskunftserteilung zu einem wertmäßig höheren Leistungsanspruch, erfolgt eine Korrektur der früheren Wertangabe. Erweist sich der Leistungsantrag nach erteilter Auskunft dagegen als zu hoch, bleibt es bei der zunächst angenommenen höheren Schätzung, solange jedenfalls bis ein Leistungsantrag gestellt wird.
Rz. 103
Beauftragt der Mandant den Rechtsanwalt zunächst mit der Geltendmachung seines Auskunftsanspruchs und wird der Rechtsanwalt danach mit der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs beauftragt (gesonderter Auftrag!), liegen zwei Gebührentatbestände vor.
Rz. 104
Kann die Höhe des Leistungsanspruchs nach erteilter Auskunft nicht bewertet werden (sog. stecken gebliebene Stufenklage), bemisst sich der Wert nach den erkennbar gewordenen Vorstellungen des Klägers zum Zeitpunkt der Klageerhebung. Nötigenfalls muss dabei eine Schätzung des Leistungsanspruchs vorgenommen werden. Die Rechtsprechung geht dann unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände bei der Wertbemessung des Auskunftsanspruchs von einem Gegenstandswert in Höhe von 1/10 bis 2/5 des vermeintlichen Leistungsanspruchs aus.
Rz. 105
Ergibt sich aus der Auskunft, dass weit höhere Zahlungsansprüche bestehen, erhöht sich demgemäß nachträglich der Streitwert für die Auskunftsklage.
Rz. 106
Der Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hat neben den anderen Stufen (Auskunft und Leistung) keinen eigenständigen Wert. Begehrt der Kläger unabhängig von Auskunft und Leistung lediglich isoliert die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, setzt die Rechtsprechung je nach den Umständen des Einzelfalls als Wert ⅓ bis ½ des Werts des Auskunftsverlangens an. Bei gleichzeitiger Geltendmachung von Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, ist die Bruchteilsquote zu erhöhen.