1. Mehrere Personen

 

Rz. 34

Insbesondere bei der Bearbeitung erbrechtlicher Mandate kommt es häufig vor, dass der beauftragte Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber (z.B. Eheleute, mehrere Testamentsvollstrecker, BGB-Gesellschaft[59] oder Mitglieder einer Erbengemeinschaft[60]) tätig wird. § 7 RVG und Nr. 1008 VV RVG (Mehrvertretungszuschlag) treffen hierzu Abrechnungsregelungen. Wird der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber wegen unterschiedlicher Gegenstände tätig, kommt es zur Wertaddition (§ 22 Abs. 1 RVG). Wird der Rechtsanwalt dagegen für mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstandes tätig, gilt Nr. 1008 VV RVG. Es wird nur eine Gebührenerhöhung ausgelöst. In diesen Fällen besteht somit die Möglichkeit der Erhöhung der Verfahrens- oder Geschäftsgebühr um 0,3 für jeden weiteren Auftraggeber, wobei allerdings ein Gebührensatz von 2,0 nicht überschritten werden darf. Gebührenerhöhung und Wertaddition schließen sich demgemäß aus.

 

Rz. 35

Entscheidend ist somit, dass der Rechtsanwalt

für mehrere Personen und
in derselben Angelegenheit wegen desselben Gegenstands

tätig sein muss.

Wird ein Kind durch beide Elternteile vertreten, gibt es keine Gebührenerhöhung. Maßgeblich ist die Anzahl der vertretenen Personen, nicht die Anzahl der gesetzlichen Vertreter. Dies gilt auch bei der Vertretung mehrerer Geschäftsführer einer GmbH. § 7 RVG ist sowohl für mehrere Personen, die in einem Aktivprozess als auch mehrere Personen anwendbar, die in einem Passivprozess vertreten werden. Ob die Vorschrift des § 7 RVG auch dann anwendbar ist, wenn lediglich ein Miterbe klagt, jedoch Leistung an alle Miterben verlangt, ist umstritten.[61] § 7 gilt hingegen, wenn der Erblasser die Klage eingereicht und dieses Verfahren von der Erbengemeinschaft fortgeführt wird.[62] Wird ein Unternehmen des Erblassers wie ein selbstständiges Rechtsgebilde in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt und vertreten, kann ausnahmsweise eine Einzelvertretung vorliegen, obwohl eine Erbengemeinschaft vertreten wird.[63]

Neben der Voraussetzung, dass mehrere Personen vertreten werden, ist weiter zu klären, ob Gegenstandsgleichheit oder Gegenstandsverschiedenheit vorliegt.

[59] OLG Koblenz AnwBl 1988, 71.
[60] OLG Stuttgart JurBüro 1986, 719. Jetzt auch BGH ZEV 2004, 246.
[61] BGH Beschl. v. 16.3.2004 – VIII ZB 114/03; diese Entscheidung ist noch zu § 6 BRAGO ergangen; a.A. Zimmermann/Bredemeyer, Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze, RVG, Rn 18; Bonefeld/Kroiß/Tanck/Uricher, Der Erbprozess, § 10 Rn 11 (§ 7 RVG gilt nicht).
[62] H.M. Hansens, § 6 Rn 6 m.w.N.; a.A. OLG Koblenz JurBüro 1988, 1162; OLG Frankfurt JurBüro 1982, 858.
[63] AnwK-RVG/Volpert, VV 1008 Rn 26.

2. Gegenstandsgleichheit/Gegenstandsverschiedenheit

 

Rz. 36

Gegenstandsverschiedenheit liegt vor, wenn die einzelnen Gegenstände den Auftraggeber selbst betreffen, sei es, dass er die Gegenstände einzeln zu fordern oder einzeln zu erfüllen hat. Wird der Rechtsanwalt demgemäß für mehrere Auftraggeber in derselben Sache, jedoch wegen verschiedener Gegenstände tätig, kommt es nicht zur Gebührenerhöhung gemäß § 7 RVG. In diesem Falle wären die Gegenstände zu addieren.

Gegenstandsverschiedenheit:

Grundsätzlich bei Klagen der Erbengemeinschaft[64]
Klage mehrerer Miterben gegen weitere Miterben auf Zustimmung zur Verteilung des Versteigerungserlöses[65]
Klage mehrerer Miterben gegen weitere Miterben auf Zustimmung zum Teilungsplan
Klage mehrerer Pflichtteilsberechtigter gegen Erben[66]
Klage mehrerer Pflichtteilsberechtigter gegen Erben auf Auskunft[67]
Klage mehrerer Vermächtnisnehmer auf Feststellung des jedem zustehenden Vorausvermächtnisses[68]
Klage mehrerer Vermächtnisnehmer auf Erfüllung gleich hoher Vermächtnisse[69]
Klage mehrerer Testamentsvollstrecker für denselben Nachlass[70]
Klage von Bruchteilseigentümern[71]
Vertretung mehrerer Erbprätendenten im Erbscheinsverfahren, wobei jeder einen Erbschein hinsichtlich seines Anteils geltend macht.[72]
 

Rz. 37

 

Abrechnungsbeispiel bei Gegenstandsverschiedenheit

 
Gegenstandswert: 50.000 EUR plus 50.000 EUR = 100.000 EUR
1,3 Verfahrensgebühr (VV 3100) 1.953,90 EUR
1,2 Terminsgebühr (VV 3104) 1.803,60 EUR
Auslagenpauschale (VV 7002) 20,00 EUR
  3.777,50 EUR

zuzüglich Mehrwertsteuer

 

Rz. 38

Gegenstandsgleichheit liegt hingegen vor, wenn der Auftraggeber nur notwendigerweise gemeinsam mit anderen etwas verlangen kann oder für etwas einzustehen hat.

Gegenstandsgleichheit:

bei Klagen von Gesamtgläubigern oder Gesamtschuldnern[73]
bei einer Klage der Erbengemeinschaft, aber nur soweit der Anwalt schon vom Erblasser beauftragt worden war[74]
gemeinsame Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen durch eine Erbengemeinschaft[75]
Vertretung eines Miterben im Prozess der Erbengemeinschaft gegen Dritte wie auch im Rechtsstreit gegen andere Wohnungseigentümer oder den Verwalter
bei Klagen, bei denen der Kläger den Beklagten auswechselt und der Rechtsanwalt auch den neuen Beklagten vertritt[76]
wenn mehrere Personen, die in einem Erbschein als Erben a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?