Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 15
Der Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils kann sich über den Zeitraum von drei Jahren seit der Geburt des Kindes hinaus verlängern, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht.
Grundsätzlich ist allerdings aufgrund des Wortlauts der Vorschrift zunächst einmal festzustellen, dass nach Ablauf von drei Jahren seit der Geburt des Kindes eine Erwerbsobliegenheit einsetzt.
Eine Verlängerung des Unterhalts über den Zeitraum von drei Jahren hinaus stellt eine Ausnahme im Sinne einer positiven Härteklausel dar. Das Gesetz ordnet also ein Regel-Ausnahme-Verhältnis an. Die grundsätzliche gesetzliche Begrenzung des Anspruchs nach § 1615l auf drei Jahre nach der Geburt des Kindes ist auch mit Art. 6 GG zu vereinbaren.
Insoweit scheint es sehr zweifelhaft zu sein, ein allgemeines Altersphasenmodell zu entwickeln, welches korrespondierend zum Alter des Kindes eine Relation zwischen Erwerbspflicht auf der einen und Belangen des Kindes auf der anderen Seite zugrunde legt.
Rz. 16
Der Anlass der Verlängerung aus Billigkeit muss nicht in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes begründet sein, es kann eine zeitliche Verlängerung der Unterhaltspflicht aus Billigkeit vielmehr jederzeit entstehen, so auch wenn erstmals oder erneut die Voraussetzungen dafür zu einem späteren Zeitpunkt entstehen, auch wenn das Kind dann z.B. bereits zwölf Jahre alt ist. Gründe für einen solchen späten Billigkeitsunterhalt auf der Grundlage des § 1615l Abs. 2 BGB kann eine Erkrankung des Kindes oder ein Unfall im Grunde genommen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sein.
Dem unterhaltsberechtigten Elternteil obliegt aber die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus.
Allerdings ist ein abrupter Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit grundsätzlich nicht zu verlangen. Der BGH äußert sich wie folgt:
Zitat
"Damit verlangt die Regelung allerdings keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks 16/6980, 9). Insbesondere nach Maßgabe der im Gesetz ausdrücklich genannten kindbezogenen Gründe ist unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung (§ 1615l Abs. 2 S. 4 BGB) ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (Senat, NJW 2010, 1138 = FamRZ 2010, 444 Rn 26 m.w.N.)."
Rz. 17
Insbesondere ermöglichen die sog. kindbezogenen Gründe unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung den gestuften Übergang hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Kindbezogene Gründe können eine Krankheit oder eine aus anderen Gründen besonders erhöhte Bedürftigkeit des Kindes sein (siehe unten Rdn 19 ff.).
Weil § 1615l Abs. 2 S. 5 BGB eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs "insbesondere" aus kindbezogenen Gründen zulässt, kommen im Einzelfall daneben auch elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts in Betracht.
Rz. 18
Haben etwa die Eltern mit ihrem gemeinsamen Kind für längere Zeit zusammengelebt, kann ein besonderer Vertrauenstatbestand als Nachwirkung dieser Familie entstanden sein. Dabei ist allerdings stets zu beachten, dass die gesetzliche Regel, wonach der Betreuungsunterhalt grundsätzlich nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich begründet werden muss, nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf.
Praxistipp
Für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast. Er hat also ausreichend darzulegen und zu beweisen, dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen.
a) Kindbezogene Gründe
Rz. 19
Eine Verlängerung des Unterhalts ist möglich, wenn sog. kindbezogene Gründe vorliegen. Damit ist insbesondere gemeint, dass eine besondere Betreuungssituation etwa bedingt durch Krankheit des Kindes, Entwicklungsstörungen oder Erziehungsschwierigkeiten eine Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils nicht zulassen.
Für eine Verlängerung des Basisunterhalts ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes trägt der Unterhaltsberechtigte die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Tatsachen, die eine Verl...