Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
I. Der Unterhaltsbedarf
Rz. 28
Die Lebensstellung des das Kind betreuenden Elternteils bestimmt nach §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1610 BGB den Bedarf. Das Maß des dem betreuenden Elternteil zu gewährenden Unterhalts richtet sich bislang nach dessen Lebensstellung vor der Geburt des Kindes. Denn nach § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB sind auf den Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter bzw. des nicht verheirateten Vaters die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und somit auch § 1610 Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar. In Rechtsprechung und Literatur wurde deswegen regelmäßig auf das Einkommen abgestellt, das der betreuende Elternteil ohne die Geburt des Kindes zur Verfügung hätte. Spätere Änderungen, wie eine Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten, waren danach für den Unterhaltsbedarf nicht zu berücksichtigen.
Der BGH hält an diesem Dogma, dass für eine vollständige Deckung des Bedarfs die Verhältnisse zur Zeit der Geburt ein für alle Mal maßgebend seien, nicht mehr fest. Entscheidend ist nunmehr, welches, die Lebensstellung prägende Einkommen der Betreuende ohne die Geburt und Betreuung des Kindes zur jeweiligen Unterhaltszeit hätte. Deswegen kann sich nach der Geburt des Kindes auch ein höherer Bedarf ergeben. Dies hatte in der streitgegenständlichen Entscheidung die Prüfung zur Folge, ob die Mutter ohne die Unterbrechung wegen der Geburt des Kindes ihr Studium inzwischen abgeschlossen und welche Einkünfte sie dann hätte.
Rz. 29
An der Lebensstellung des Unterhaltspflichtigen nimmt der betreuende Elternteil hingegen nicht teil.
Der Bedarf wird auf keinen Fall entsprechend § 1578 BGB bestimmt, selbst wenn die Eltern des Kindes früher in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lange zusammengelebt haben. Es gibt also keine "eheähnlichen Lebensverhältnisse".
Das OLG Saarbrücken führt insoweit aus:
Zitat
"Anders als beim Trennungsunterhalt oder beim nachehelichen Unterhalt, bei denen der Bedarf von den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt wird (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB), sind daher die wirtschaftlichen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils für die Bedarfsbemessung grundsätzlich nicht maßgebend. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des unterhaltsberechtigten Elternteils bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes entwickelt hatten."
Rz. 30
Der betreuende Elternteil muss ihren/seinen Unterhaltsbedarf konkret darlegen. Dies bedeutet, dass i.d.R. der Verdienstausfall der Maßstab für die Ermittlung des Bedarfs ist. Hat der betreuende Elternteil vor der Geburt Erwerbseinkommen erzielt, richtet sich der Bedarf nach dem damaligen Einkommen. Diese Berechnung hat zur Folge, dass der Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter den Betreuungsunterhaltsanspruch der verheirateten Mutter übersteigen kann. Der Bedarf der Mutter wird jedoch in solchen Fällen (ähnlich § 1570 BGB) durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt. Der Mutter steht nicht mehr Unterhalt zu, als dem Vater selbst verbleibt.
Zitat
"War der betreuende Elternteil bis zur Geburt des Kindes erwerbstätig, bemisst sich seine Lebensstellung daher nach seinem bis dahin nachhaltig erzielten Einkommen. Der Unterhaltsbedarf ist deswegen an diesem Einkommensniveau auszurichten, soweit dies nicht dazu führt, dass dem Unterhaltsberechtigten aus eigenen Einkünften und Unterhaltszahlungen insgesamt mehr zur Verfügung steht, als dem Unterhaltspflichtigen verbleibt (…)."
Rz. 31
Die Höhe des Unterhaltsanspruchs ist neben dem Halbteilungsgrundsatz außerdem grundsätzlich durch die Höhe des Unterhaltsanspruchs begrenzt, den eine eheliche Mutter geltend machen könnte. Bei der deswegen anzustellenden vergleichenden Berechnung (Kontrollberechnung) ist der vergleichend herangezogene Unterhaltsanspruch einer ehelichen Mutter unter Heranziehung aller dort anerkannter Kriterien zu ermitteln. Das gilt besonders für die Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus (1/10) und die Geltendmachung steuerlicher Vorteile (begrenztes Realsplitting).
Die Anpassung des die Lebensstellung des betreuenden Elternteils bestimmenden Erwerbseinkommens vor Geburt des Kindes bis zur Entscheidung über den Unterhalt erfolgt auf der Grundlage des allgemeinen Verbraucher-Jahresindex.
Rz. 32
War die Mutter erst zu Beginn der Schwangerschaft arbeitslos, kann auch früheres Erwerbseinkommen maßgebend sein, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie diese Einkünfte ohne die Schwangerschaft auch im Unterhaltszeitraum erzielt hätte.
Zum Bedarf der Mutter zählen die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung. Altersvorsorgeunterhalt ist dagegen nicht geschuldet.
Als Maßstab für die Höhe des Unterhalts für eine nichteheliche Mutter ohne vorausgegangene Erwerbstätigkeit kann der notwendige Eigenbedarf eines nicht Erwerbstätigen in Höhe von derzeit monatlich 1.120 EUR herangezogen werden.
Rz. 33
Die Einkommensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils sind für die Bedarfsberechnung nicht maßgeblich.