Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 36
Die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten gemäß § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB lässt die Unterhaltspflicht nur entstehen, wenn der Unterhaltspflichtige leistungsfähig ist, § 1603 Abs. 1 BGB bzw. umgekehrt der Unterhaltsberechtigte bedürftig (§ 1602 BGB).
1. Bedürftigkeit des das Kind betreuenden Elternteils
Rz. 37
Der das Kind betreuende Elternteil muss bedürftig im Sinne des § 1602 BGB sein. Daran fehlt es, wenn der betreuende Elternteil über ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt, um sich selbst zu unterhalten.
Rz. 38
Soweit der betreuende Elternteil daher Erwerbseinkünfte erwirtschaftet, ist dies auf den Unterhalt anzurechnen (soweit nicht eine Korrektur wegen überobligatorischer Einkünfte angemessen ist).
Im Hinblick auf überobligatorische Einkünfte ist die Vorschrift des § 1577 Abs. 2 BGB nämlich auf den Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB entsprechend anwendbar. Für die Billigkeitsabwägung ist danach von Interesse, wie die Betreuung des Kindes während dieser Zeit konkret geregelt ist, welche Hilfen der Mutter dabei zur Verfügung stehen und ob ihr dafür ggf. zusätzliche Betreuungskosten entstehen. Nicht ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang indes auch die Frage, ob die Mutter seit der Geburt des Kindes aus freien Stücken weiter erwerbstätig ist oder ob die Arbeitsaufnahme durch eine wirtschaftliche Notlage veranlasst war. Die freiwillige Ausübung einer Berufstätigkeit kann ein maßgebendes Indiz für eine vorhandene tatsächliche Arbeitsfähigkeit im konkreten Einzelfall sein.
Unterhalt kann etwa dann nicht begehrt werden, wenn die Mutter bedarfsdeckend Lohnfortzahlungen des Arbeitgebers nach § 11 MuSchG oder das Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1 RVO erhält. Mutterschaftsgeld hat nämlich Lohnersatzfunktion.
Rz. 39
Dies gilt auch für das Elterngeld, soweit es mehr als 300 EUR (§ 11 BEEG) beträgt.
Rz. 40
Erziehungsgeld stellt jedoch kein anrechenbares Einkommen der Mutter dar. Wohngeld wird ebenfalls nicht berücksichtigt, da es unmittelbar der Deckung des erhöhten Wohnbedarfs dient.
Rz. 41
Sollte die Mutter über einen Wohnvorteil verfügen, etwa aufgrund der unentgeltlichen Überlassung der Wohnung durch ihre Eltern, kann dies ihren Unterhaltsbedarf ebenfalls nicht mindern.
Rz. 42
Ist sie überobligatorisch erwerbstätig (was in den drei ersten Lebensjahren des Kindes immer der Fall ist), ist in entsprechender Anwendung von § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB nach Billigkeitsgesichtspunkten über den Umfang der Anrechnung ihres Einkommens auf den Bedarf zu entscheiden.
Rz. 43
Sollte die Mutter in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner leben, so kann in Betracht kommen, dass ihre Versorgungsleistungen gegenüber dem Lebensgefährten ein fiktives Einkommen begründen und bedarfsmindernd zu berücksichtigen sind. Jedenfalls hat sich die Mutter zur Leistungsfähigkeit ihres Lebensgefährten zu erklären, da ansonsten davon ausgegangen werden kann, dass er einen ausreichenden bedarfssichernden Betrag an sie leistet, ohne dass sein eigener angemessener Selbstbehalt gefährdet ist.
Rz. 44
Die Rechtsprechung ist bezüglich Vermögenseinkünften und Verwertung von Vermögen uneinheitlich. Teilweise wird die Meinung vertreten, Vermögen sei wie beim Verwandtenunterhalt zu behandeln, es sei also hinsichtlich seiner Erträge einzusetzen und auch der ratenweise Einsatz des Vermögens könne zumutbar sein.
Dagegen wird in jüngerer Zeit auch die Meinung vertreten, dass die Mutter eines nichtehelichen Kindes, die Betreuungsunterhalt während der ersten drei Lebensjahre des Kindes geltend macht, sich nicht darauf verweisen lassen muss, sie habe ihren Vermögensstamm einzusetzen, um ihren Bedarf zu decken. Denn sie benötigt das Vermögen zum Ausgleich der Einbußen, die sie in ihrer Altersversorgung dadurch erleidet, dass sie das gemeinsame Kind betreut und ihre Erwerbstätigkeit zu diesem Zweck für drei Jahre unterbrochen und danach reduziert hat. Es würde im Übrigen dem Gerechtigkeitsgefühl in unerträglicher Weise widersprechen, wenn die Kindesmutter ihr Vermögen aufzehren müsste, um ihren angemessenen Lebensbedarf zu bestreiten, während der Kindesvater, wenn er in guten Verhältnissen lebt, sein Vermögen dadurch vermehren könnte, dass er keinen Unterhalt an die Kindesmutter zu zahlen hätte.
Der BGH hat in diesem Sinn entschieden, indem er die Verwertung eines Vermögens der Kindesmutter von ca. 10.000 EUR abgelehnt hat, weil sie dieses Vermögen für ihre eigene Alterssicherung einsetzen darf, nachdem der Kindesvater in guten Verhältnissen lebt und seine Altersversorgung hinreichend gesichert ist.
Entscheidend bleibt letztlich der Einzelfall, größeres Vermögen wird zumindest hinsichtlich seiner Erträge berücksichtigt werden können.
Das OLG Köln äußert sich zu dieser Problematik und der Darlegungs- und Beweislast wie folgt:
Zitat
“Eine Verwertung eines ggf. vorhandenen Vermögensstamms vor seiner Inanspruchnahme kann der Antragsgegner derzeit nicht von der Antragstellerin verlangen.
Zwar m...