Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
1. §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1611 BGB
Rz. 54
Verwirkung kann unter den Voraussetzungen nach § 1611 BGB eintreten. Dagegen kommt eine Anwendung der Vorschriften für Eheleute nicht in Betracht.
Insbesondere ist § 1579 BGB nicht anwendbar, weil hier § 1611 BGB eine spezielle Regelung mit einem strengeren Maßstab enthält. Das Zusammenleben mit einem (neuen) Partner kann daher weder in analoger Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB noch in wertender Betrachtung über § 1611 BGB die Annahme einer Unterhaltsverwirkung rechtfertigen, wenn nicht andere Verfehlungen i.S.d. § 1611 BGB auf eine grobe Unbilligkeit schließen lassen.
2. Eheschließung
Rz. 55
Die Vorschrift des § 1586 BGB wird auf den Anspruch nach § 1615l BGB analog angewandt, d.h. der Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter aus Anlass der Geburt entfällt mit einer Eheschließung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft.
Die Mutter erwirbt durch die Heirat nämlich einen Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB, der nach der gesetzlichen Wertung anderen Unterhaltsansprüchen vorgeht.
Rz. 56
Das OLG München sah dies ursprünglich noch anders. Nach der Auffassung des OLG konnte eine aus der Ehe folgende Unterhaltspflicht nach den §§ 1361, 1569 ff. BGB neben einer solchen aus § 1615l BGB bestehen, wenn letztere erst entstehe, nachdem der aus der Ehe hervorgegangene Unterhaltsanspruch schon bestanden habe. Das müsse umgekehrt auch dann gelten, wenn die Ehe, die einen Anspruch auf Ehegattenunterhalt begründe, erst geschlossen werde, nachdem schon ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1615l BGB entstanden war. Diese Auffassung sei nicht verfassungswidrig, weil § 1586 Abs. 1 BGB nur einen nachehelichen Unterhaltsanspruch bei Wiederheirat entfallen lasse und die im Gesetz nicht vorgesehene Geltung für den Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB nicht zu einer Diskriminierung des Instituts der Ehe führe. Der Anspruch einer Mutter auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft nach Art. 6 Abs. 4 GG sei nicht verletzt, weil ein Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB im Gegensatz zu demjenigen aus § 1615l BGB zusätzlich auf der grundsätzlich lebenslangen Bindung als Folge des Eheversprechens beruhe. Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 5 GG scheide deswegen aus, weil der Schutz des § 1615l BGB dem betreuten Kind ohnehin nur mittelbar zugutekomme und nicht das Kind, sondern der betreuende Ehegatte Inhaber des Anspruchs sei. Dieses rechtfertige insoweit eine Ungleichbehandlung der Ansprüche aus §§ 1570 und 1615l BGB. Im Gesetz finde sich eine Vielzahl von Vorschriften, die den Anspruch aus § 1570 BGB gegenüber demjenigen aus § 1615l BGB besser stellten. Bei einer Gesamtschau könne deshalb eine Besserstellung in einem einzelnen Punkt noch als Korrektiv einer insgesamt gegebenen "Disprivilegierung" angesehen werden; eine gleichheitswidrige Privilegierung dieses Anspruchs liege darin nicht.
Rz. 57
Der BGH korrigierte diese Rechtsprechung. Die Fortdauer einer Unterhaltspflicht nach § 1615l BGB über die Wiederheirat der Berechtigten hinaus ist mit der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang zu bringen. Ein Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes scheidet für die Zeit ab ihrer Heirat in analoger Anwendung des § 1586 Abs. 1 BGB aus. Das Gesetz enthält für den Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB – im Gegensatz zum nachehelichen Unterhaltsanspruch, z.B. nach § 1570 BGB – keine ausdrückliche Regelung, wie zu verfahren ist, wenn die unterhaltsberechtigte Mutter einen anderen Mann als den Vater ihres Kindes heiratet. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte dieser gesetzlichen Bestimmung und aus einem Vergleich mit anderen gesetzlichen Unterhaltsansprüchen ergibt, handelt es sich dabei um eine unbewusste Regelungslücke. Ansprüche der Mutter gegen den Vater aus Anlass der Geburt sind in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr den Unterhaltsansprüchen getrenntlebender oder geschiedener Ehegatten angeglichen worden. Wenn der Gesetzgeber trotz dieser großen Nähe beider Ansprüche gleichwohl von einer dem § 1586 Abs. 1 BGB entsprechenden Regelung abgesehen, dessen Anwendung aber auch nicht ausgeschlossen hat, kann das nur auf einer unbeabsichtigten Regelungslücke beruhen.
Rz. 58
Praxistipp
Eine fehlerhafte Aufklärung des Anwalts, der die analoge Anwendung des §§ 1586 Abs. 1 BGB übersieht, begründet in der Regel allerdings keine Anwaltshaftung. Der mögliche Unterhaltsschaden, bedingt durch das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l BGB, wird nach Auffassung der Rechtsprechung nämlich durch einen Anspruch auf Familienunterhalt gegen den Ehemann ausgeglichen, so dass es an einem Schaden fehlt.
BGH:
"Schließt die Gläubigerin eines Anspruchs auf Betreuungsunterhalt aus § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB aufgrund einer fehlerhaften Beratung durch ihren Rechtsanwalt über den Fortbestand des Anspruchs bei Eheschließung die Ehe mit einem neuen Partner, kann der Wegfall des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt durch den Anspruch auf Familienunterhalt kompensiert werden."
Rz. 59
Trennt die Mutter des nichtehelic...