Rz. 26
Auch Arbeitnehmer mit flexiblen Arbeitszeiten oder Abrufarbeitnehmer haben wie andere Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf Erholungsurlaub. Bei Abrufarbeit gem. § 12 TzBfG werden mit der Konkretisierung der Arbeitszeit zugleich die Arbeitsstunden bestimmt, die der Arbeitnehmer zu leisten hat. Eine festgelegte Zahl von Arbeitstagen existiert nicht, so dass die Berechnung des Urlaubsanspruchs notwendigerweise mit der dem Arbeitgeber nach § 12 TzBfG eingeräumten Flexibilität kollidiert. Umgekehrt sind Urlaubstage und -stunden Teil der effektiven Jahresarbeitszeit. Werden Ausfallzeiten dem Arbeitnehmer nicht gutgeschrieben, bedeutet das nichts anderes, als dass ihm die hierfür zustehende Urlaubsvergütung vorenthalten wird. Im Ergebnis ist der Arbeitnehmer deshalb für eine entsprechend der vereinbarten Urlaubszeit andauernden Zeit nicht zur Arbeit heranzuziehen. Das vertragliche Arbeitsdeputat verringert sich um die auf den Urlaub entfallende Zeit. Die Behandlung dieses Grundsatzes bereitet in der Praxis indes Schwierigkeiten.
Rz. 27
Im Falle der Arbeit auf Abruf ist zur Ermittlung der Höhe des Urlaubsanspruchs zu ermitteln, an wie vielen Tagen in der Woche sich der Arbeitnehmer zum Abruf bereit zu halten hat. Der Arbeitgeber ist nach § 12 Abs. 3 TzBfG verpflichtet, die Zahl der Arbeitstage festzulegen, an denen sich der Arbeitnehmer abstrakt zur Arbeit bereit zu halten hat ("Referenztage"). Diese sind dann auch die Grundlage des Urlaubsanspruchs. Darüber hinaus kann sich die Berechnung auch aus der Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen des § 12 Abs. 1 TzBfG ergeben.
Rz. 28
Beispiele
1. |
Die Vereinbarung lautet, dass der Arbeitnehmer zehn Stunden in der Woche arbeitet, und zwar jeweils mindestens fünf Stunden am Stück. Für die Urlaubsberechnung sind zwei Arbeitstage je Woche zugrunde zu legen. |
2. |
Die Vereinbarung lautet, dass der Arbeitnehmer zehn Stunden in der Woche arbeitet. Weitere Angaben sind nicht enthalten. Wegen § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG muss sich der Arbeitnehmer an drei Tagen zum Abruf bereithalten (jeweils mindestens drei Stunden; wird die zehnte Stunde nicht an einem der drei Tagen abgerufen, kann ein Abruf wegen der Mindestregelung des § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG an den verbleibenden Wochentagen nicht mehr erfolgen). |
3. |
Die Vereinbarung lautet, dass der Arbeitnehmer zehn Stunden in der Woche arbeitet, wobei er in der Zeit von Montag bis Freitag zur Verfügung stehen muss (Referenztage) und bei einem Abruf der Arbeit an jedem Arbeitstag für mindestens vier aufeinander folgende Stunden beschäftigt wird. Der Urlaubsanspruch beträgt – auf Grundlage des BUrlG – (24/6 * 5 =) 20 Arbeitstage = Bereithaltungstage. Der Arbeitnehmer hat also Anspruch darauf, an insgesamt zwanzig Arbeitstagen (Montag bis Freitag) nicht zur Arbeit herangezogen zu werden. Insgesamt ergibt sich hierdurch ein Urlaub von vier Wochen. |
Rz. 29
Die vorgeschlagene Methode führt zu den richtigen Ergebnissen, wenn der Arbeitnehmer ganze Wochen Urlaub nimmt. Problematisch gestaltet es sich indes, wenn der Arbeitnehmer nur an einzelnen "Bereithaltungstagen" der Woche Urlaub nimmt. Ist es dem Arbeitgeber in diesem Fall gestattet, die Arbeit an den verbleibenden Tagen in voller Höhe der vereinbarten Wochenarbeitszeit abzurufen?
Rz. 30
Beispiel
Die Vereinbarung lautet, dass der Arbeitnehmer an drei Tagen (Montag bis Mittwoch) zur Arbeit zur Verfügung zu stehen hat und insgesamt 10 Stunden pro Woche zu leisten hat.
Der Arbeitnehmer nimmt Montag und Dienstag zwei Tage Erholungsurlaub. Ist es nun dem Arbeitgeber gestattet, an dem dritten "Arbeitstag", an dem sich der Arbeitnehmer vertragsgemäß zum Abruf der Arbeit zur Verfügung zu halten hat, nämlich dem Mittwoch, die Arbeit in voller Wochenhöhe, also in der Länge von zehn Stunden abzurufen?
Rz. 31
Das BUrlG wird modernen Formen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung in Teilzeitarbeitsverhältnissen mit dem starren Tagesprinzip nicht gerecht. Materiell richtig wäre es, in dem dargestellten Fall die Anzahl der Arbeitsstunden, die zu leisten der Arbeitnehmer pro Woche verpflichtet ist, anteilmäßig zu reduzieren. Enthält die Vereinbarung keine Bestimmung zum Mindestabruf, so sind mindestens die drei Stunden des § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG zugrunde zu legen. Hat der Arbeitnehmer also an zwei von drei Tagen, an denen er sich zum Abruf der Arbeit bereitzuhalten hat, Urlaub genommen, so kann der Arbeitgeber am dritten Tag die Arbeit nur in dem nachfolgend dargestellten Umfang abrufen: (Vereinbarte Stundenzahl)/(Anzahl der Tage, an denen sich der Arbeitnehmer bereithalten muss) * (restliche Bereithaltungstage).
Rz. 32
Beispiel
Im vorgenannten Beispiel wäre es also dem Arbeitgeber nur noch gestattet, an dem dritten Tag (15/3 * 1 =) fünf Stunden abzurufen.
Rz. 33
Es liegt auf der Hand, dass dieser Lösungsvorschlag die Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers beeinträchtigt. Dieser könnte nämlich einwenden, dass er an den zwei Urlaubstagen den Arbeitnehmer sowieso nicht zur Arbeit herangezogen, so...