Rz. 35
Soll der Rechtsanwalt zunächst einen Vertrag beurkunden lassen und prüft er dann, ob die notarielle Urkunde das von dem Auftraggeber Gewollte richtig wiedergibt, liegt dieselbe Angelegenheit vor. Dieselbe Angelegenheit liegt auch vor, soweit der Rechtsanwalt zunächst am Vergleich und dann an seiner Durchführung mitwirkt. In beiden Fällen handelt es sich m.E. um Abwicklungstätigkeiten, die zum Rechtszug gehören und keine neuen Vergütungsansprüche auslösen, § 19 Abs. 1 S. 1 RVG.
Rz. 36
Beim Übergang von Eheaufhebungsantrag zum Scheidungsantrag handelt es sich um dieselbe Angelegenheit. Die Werte sind zu addieren, siehe dazu § 4 Rdn 374, da es sich bei Eheaufhebung und Scheidung nicht um denselben "Streitgegenstand" handelt und die wirtschaftlichen Folgen auch gänzlich andere sein können. Dieselbe Angelegenheit liegt auch bei wechselseitigen Scheidungsanträgen vor, eine Addition findet hier nicht statt, eine Ehe kann nur einmal geschieden werden.
Rz. 37
Werden Scheidungsanträge getrennt eingereicht und die Verfahren dann verbunden, liegt dieselbe Angelegenheit erst ab Verbindung vor. Für die zunächst getrennt eingereichten Anträge entstehen die Verfahrensgebühren jeweils gesondert, sondern in diesen Verfahren auch entsprechende anwaltliche Tätigkeiten erbracht wurden.
Rz. 38
Bei Abtrennung einer Folgesache bleibt das Verfahren dieselbe Angelegenheit und es fallen die Gebühren nur einmal aus dem zusammengerechneten Verfahrenswert an, vgl. dazu auch § 21 Abs. 3 RVG zur Unterscheidung zwischen solchen Folgesachen, die als isoliertes Verfahren fortzuführen sind und solchen, die trotz Abtrennung im Verbund bleiben (siehe Rdn 44 u. 54 ff. in diesem Kapitel).
Rz. 39
Bei wechselseitig beantragtem Zugewinnausgleich ist von verschiedenen Gegenständen auszugehen und eine Wertaddition vorzunehmen, siehe dazu auch § 4 Rdn 266 u. 618 ff. in diesem Werk. Zugewinnausgleich und Auseinandersetzung gemeinsamen Immobiliarvermögens der Eheleute bilden dieselbe Angelegenheit, wenn kein gesonderter Auftrag zur Auseinandersetzung der Eigentumsgemeinschaft bestand und die Übertragung des Miteigentums vergleichsweise anstelle der Zahlung einer Ausgleichsforderung erfolgt.
Rz. 40
Sofern beide Elternteile in einem Sorgerechtsverfahren gegenüber dem Jugendamt vertreten werden, liegt dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG vor, es entsteht eine Erhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG, da der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist.
Rz. 41
Wird ein Ehescheidungsverfahren von beiden Beteiligten nicht betrieben und hat der VKH-Anwalt eine Vergütung bereits erhalten, bekommt er nach einer Entscheidung des OLG Schleswig dieselbe Vergütung nicht noch einmal, wenn das Verfahren mehrere Jahre später fortgeführt wird. Es liegt dieselbe Angelegenheit vor; die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG findet keine Anwendung. Anders sieht dies das OLG Zweibrücken, wobei hier der Antrag zwischenzeitlich zurückgenommen worden war.
Zitat
"Wird ein Scheidungsantrag zurückgenommen und wird später erneut die Scheidung beantragt, liegen zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten vor, so dass die Verfahrensbevollmächtigten ihre Vergütung jeweils gesondert erhalten. Es kommt nicht darauf an, ob seit Rücknahme des ersten Scheidungsantrags bis zur Einreichung des neuen Scheidungsantrags mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind."